ZPO § 91; RVG VV Nr. 7006
Leitsatz
Übernachtungskosten eines Anwalts sind notwendig, wenn der Anwalt nicht darauf vertrauen konnte, bei einer Anreise am Terminstag pünktlich zum Termin zu erscheinen, ohne zur Unzeit von zu Hause abfahren zu müssen.
LG Hamburg, Beschl. v. 11.6.2019 – 625 Qs 19/19
1 Aus den Gründen
In dem angefochtenen Beschluss hat das AG Hamburg die dem Freigesprochenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1.135,36 EUR festgesetzt. Die sofortige Beschwerde, mit der die Staatskasse eine Herabsetzung des Erstattungsbetrages um 216,88 EUR begehrt hat, ist unbegründet. Zwar tragen nicht alle von dem Verteidiger vorgetragenen Erwägungen. Jedoch sind im Ergebnis auch die mit der Beschwerde nur noch gerügten Positionen des Tage- und Abwesenheitsgeldes für die Anreise am 28.6.2018 (25,00 EUR zzgl. USt.) sowie die Hotelkosten (157,25 EUR zzgl. USt.) erstattungsfähig. Insbesondere der Beginn der Sommerferien in Niedersachsen ist erfahrungsgemäß mit einem derart erhöhten Verkehrsaufkommen verbunden, dass der Verteidiger nicht darauf vertrauen konnte, die Strecke nach Hamburg in der üblichen Zeit bewältigen zu können, sondern – um den Aufbruch zur Unzeit zu vermeiden eine Anreise bereits am Vortag der Hauptverhandlung erfolgen durfte, um die pünktliche Wahrnehmung des Termins sicherzustellen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass die Verhandlungstage bei den Amtsgerichten bekanntermaßen aufgrund der Vielzahl der zu bewältigenden Verfahren eng getaktet sind und sie deshalb für einen verzögerungsfreien Ablauf in besonderem Maße auf die Pünktlichkeit der Verfahrensbeteiligten angewiesen sind.
entnommen von www.burhoff.de
2 Anmerkung
1.
Nach dem Wortlaut von Nr. 7006 VV werden Übernachtungskosten vom Auftraggeber erstattet, soweit sie angemessen sind. Der Rechtsanwalt entscheidet im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens, ob und wie er während der Geschäftsreise übernachtet. Ist der Auftraggeber nicht mit den Übernachtungskosten einverstanden, so trifft den Rechtsanwalt die Beweislast.
Übernachtungskosten sind angemessen und notwendig, wenn es dem Rechtsanwalt nicht zuzumuten ist, am Terminstag anzureisen. Die notwendige Anreise zum Terminsort muss nicht zur Nachtzeit vorgenommen werden. Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO dabei nach h.M. die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr. Wenn deshalb zur pünktlichen Anreise zu einem (Gerichts-)Termin ein Reisebeginn vor 6:00 Uhr morgens erforderlich wäre, sind Hotelübernachtungskosten erstattungsfähige Kosten. Für den Reisebeginn ist auf das Verlassen des Hauses/der Wohnung/der Kanzlei des Rechtsanwalts abzustellen, nicht aber auf das Aufstehen, die Morgentoilette oder das Frühstück. Zumutbar ist also ein Aufstehen vor 6:00 Uhr, wenn das Haus ab 6:00 Uhr verlassen wird.
Der in einem strafrechtlichen Kostenfestsetzungsverfahren gem. § 464b StPO ergangenen Entscheidung des LG Hamburg ist vor diesem Hintergrund zuzustimmen.
2.
Das LG Hamburg hat die Kosten für die Übernachtung in Hamburg mit 157,25 EUR netto zzgl. USt. als erstattungsfähig anerkannt.
Übernachtungskosten sind nach Nr. 7006 VV im angemessenen Umfang zu erstatten. Die tatsächlich angefallenen und angemessenen Übernachtungskosten sind zu erstatten. Angemessen bedeutet weder einfach noch luxuriös, sondern den Gesamtumständen angepasst. Der Rechtsanwalt darf grds. ein Hotel mit angemessenem Qualitätsstandard auswählen. Erstattungsfähig sind jedenfalls die Kosten für ein Mittelklassehotel mit gutem Komfort. Die Rspr. zur Angemessenheit des Hotels ist uneinheitlich. Bei der Prüfung der Höhe der angemessenen Übernachtungskosten ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Übernachtungspreise am Übernachtungsort zu der fraglichen Zeit üblich waren und welche zumutbaren und buchbaren Unterkünfte vorhanden sind.
Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
AGS, S. 444