BGB §§ 145 ff., 151 ff., 675
Leitsatz
- Ein Anwaltsvertrag kommt nur bei übereinstimmenden, auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichteten Willenserklärungen der Vertragsparteien zustande. Zwar können die Erklärungen auch in konkludentem Verhalten der Vertragsparteien enthalten sein, wenn das Verhalten des anderen Teils von dem Rechtsanwalt bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben als eine auf den Abschluss eines Anwaltsvertrags gerichtete Willenserklärung aufzufassen war und sein nachfolgendes Verhalten als Annahme des Auftrags gedeutet werden durfte.
- Ein Angebot auf Abschluss eines Anwaltsvertrages liegt indes allein durch die Übersendung des Vollmachtformulars nicht vor, wenn das Tätigwerden des Anwalts abhängig gemacht wurde vom Vorliegen einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung und diese Zusage letztlich nicht erteilt wurde.
BGH, Urt. v. 14.2.2019 – IX ZR 203/18
1 Sachverhalt
Der Beklagte hatte sich als atypischer stiller Gesellschafter an einer Gesellschaft der "G." beteiligt und Einlagen von mehr als 20.000,00 EUR erbracht. Über das Vermögen der Gesellschaften wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte beauftragte die klagende Anwaltssozietät mit der Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber den Initiatoren und Konzeptanten der "G.". Der Rechtsschutzversicherer des Beklagten sagte die Übernahme der hiermit verbundenen Kosten zu."
Mit Schreiben v. 9.3.2011 unterrichtete die Klägerin den Beklagten über die Möglichkeit, auch die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften der "G." (fortan: Wirtschaftsprüfer) auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte unterzeichnete das dem Schreiben beigefügte, mit "Auftrag und Vollmacht" überschriebene Formular und sandte es an die Klägerin zurück. In einem weiteren Schreiben v. 12.8.2011 wies die Klägerin ihn darauf hin, dass der Rechtsschutzversicherer zur Übernahme der Kosten verpflichtet sei und die Deckungszusage unberechtigt verweigere. Im Dezember 2011 leitete die Klägerin mehrere hundert Güteverfahren bei einer Gütestelle in L. ein. Die Güteverfahren scheiterten, weil die Wirtschaftsprüfer, welche die Klägerin zuvor nicht angeschrieben hatte, nicht bereit waren, am Güteverfahren teilzunehmen. Der Rechtsschutzversicherer des Beklagten verweigerte die Übernahme der Kosten für eine Klage. Der Beklagte einigte sich schließlich mit ihm auf eine Abfindungszahlung und forderte die Klägerin mit Schreiben v. 24.12.2012 auf, alle laufenden Verfahren kostengünstig zu beenden. Unter dem 1.10.2014 stellte die Klägerin dem Beklagten für ihre Tätigkeit im Rahmen des Güteverfahrens insgesamt 1.633,87 EUR in Rechnung, ausgehend von einer 1,5-Geschäftsgebühr gem. § 13 RVG und einem Gegenstandswert von 37.780,72 EUR. Der Gegenstandswert setzte sich aus dem vom Beklagten eingezahlten und ersetzt verlangten Kapital abzgl. der Entnahmen, insgesamt 20.489,71 EUR, einem entgangenen Gewinn von 17.191,01 EUR und einem Betrag von 100,00 EUR für die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden zusammen.
Nunmehr verlangt die Klägerin die Zahlung des Rechnungsbetrages von 1.633,87 EUR nebst Zinsen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 1.348,27 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 285,60 EUR nebst Zinsen erreichen. Der Beklagte hat Anschlussrevision mit dem Ziel der Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils eingelegt.
2 Aus den Gründen
Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg, weil ein Anspruch der Klägerin schon dem Grunde nach nicht besteht. Die Anschlussrevision des Beklagten führt zur Wiederherstellung des Urteils des AG.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte habe die Klägerin beauftragt, einen Güteantrag gegen die Wirtschaftsprüfer zu erstellen. Der entsprechende Vertrag sei dadurch zustande gekommen, dass der Beklagten der Klägerin auf deren Schreiben v. 9.3.2011 hin das unterzeichnete Vollmachtsformular übersandt habe. Ob die Annahme des Vertragsangebots unter der aufschiebenden Bedingung erklärt worden sei, dass der Rechtsschutzversicherer Kostendeckung zusage, könne dahinstehen. Diese Bedingung sei eingetreten. Mit Schreiben v. 29.7.2011 habe der Rechtsschutzversicherer dem Beklagten eine entsprechende Zusage erteilt. Soweit der Beklagte bestreite, das Schreiben v. 29.7.2011 erhalten zu haben, handele es sich um neues Vorbringen, welches gem. §§ 530, 531, 296 Abs. 2, 282 ZPO verspätet sei. Die Klägerin habe einen Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung erstellt. Damit sei die verlangte Gebühr nach Nr. 2303 Nr. 4 VV entstanden.
Der Gebührenanspruch der Klägerin sei nicht gem. § 362 BGB untergegangen. Die Geltendmachung des Anspruchs des Beklagten gegen die Wirtschaftsprüfer stelle eine andere Angelegenheit dar als die Geltendmachung des Anspruchs gegen die Unternehmen und Verantwortlichen der "G.". Eine dienstvertragliche Mängelhaftung gebe es nicht. Ei...