RVG § 14 Abs. 1, 2
Leitsatz
- § 14 Abs. 1 S. 3 RVG enthält nach Systematik und Struktur der Norm keinen eigenen Gebührentatbestand im Sinne einer Haftungsgebühr.
- Das nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG bei Betragsrahmen zwingend zu berücksichtigende Haftungsrisiko ist lediglich ein zusätzliches Kriterium bei der Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG.
- Im Rechtsstreit zwischen dem Gebührenschuldner und dem Erstattungsschuldner ist kein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen (wie BSG, Urt. v. 18.1.1990–4 RA 40/89).
BSG, Urt. v. 27.1.2009 – B 7/7 a AL 20/07 R
1 Sachverhalt
Im Streit sind weitere (58,00 EUR) von der Beklagten zu erstattende Kosten des Widerspruchsverfahrens.
Die Beklagte hatte wegen eines angeblichen Meldeversäumnisses des Klägers den Anspruch auf Arbeitslosengeld für sieben Tage gemindert (in Höhe von insgesamt 108,36 EUR). Nachdem der Kläger – vertreten durch seine Rechtsanwälte – hiergegen Widerspruch erhoben hatte, hob die Beklagte den Bescheid jedoch im Wege der Abhilfe wieder auf. Für ihre Tätigkeit berechneten die Prozessbevollmächtigten dem Kläger u.a. neben der Geschäftsgebühr (240,00 EUR) eine "Gebühr Zuschlag Haftungsrisiko nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG" in Höhe von 50,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt einen Betrag von 359,60 EUR. Die Beklagte erstattete dem Kläger die Gebühren und Auslagen seiner Prozessbevollmächtigten – mit Ausnahme der Gebühr für das Haftungsrisiko – in Höhe von 301,60 EUR.
Das SG hat die Klage auf zusätzliche 58,00 EUR abgewiesen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, wegen des erfolgreichen Widerspruchsverfahrens habe die Beklagte die notwendigen Aufwendungen für den Prozessbevollmächtigten des Klägers zu erstatten, dessen Umfang sich nach dem RVG richte. Die von der Beklagten anerkannte Gebühr sei nicht um einen Zuschlag für das Haftungsrisiko zu erhöhen; denn es handele sich dabei nicht um eine gesonderte Gebühr, sondern lediglich um eine Gebührenbemessungsgrundlage. Ein im Mandat des Prozessbevollmächtigten des Klägers verwirklichtes besonderes Haftungsrisiko habe weder dem Grunde noch der Höhe nach vorgelegen. Die "hilfsweise" geltend gemachte Überschreitung der "Mittelgebühr" um 50,00 EUR auf 290,00 EUR liege wegen Unbilligkeit nicht im Rahmen des dem Bevollmächtigten eingeräumten Bestimmungsermessens.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 14 Abs. 1 S. 3 RVG. Sowohl der Wortlaut als auch der Sinn und Zweck dieser Norm sprächen dafür, dass eine zusätzliche Gebühr für das Haftungsrisiko zur Betragsrahmengebühr gefordert werden könne. Vorliegend erscheine der Ansatz einer Gebühr in Höhe von 50,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer angemessen.
2 Aus den Gründen
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere 58,00 EUR.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten, soweit die Beklagte darin die Erstattung weiterer 58,00 EUR abgelehnt hat.
In der Sache ist zwar ein höherer Erstattungsbetrag unter Zugrundelegung aller rechtlichen Gesichtspunkte im Streit; jedoch hat die Beklagte mit Ausnahme der geltend gemachten Gebühr für einen Zuschlag "Haftungsrisiko" einschließlich Umsatzsteuer alle vom Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Kläger geltend gemachten Positionen zu Recht anerkannt und weitere Gebühren bzw. Auslagen kommen nicht in Betracht. Einen Anspruch auf Erstattung weiterer notwendiger Aufwendungen wegen des erfolgreichen Widerspruchs (§ 63 SGB X) besitzt der Kläger nicht.
Insbesondere kann er keine 58,00 EUR unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen eigenständigen Gebühr "Haftungsrisiko" seines Prozessbevollmächtigten nach dem RVG verlangen. Zwar ist das ab 1.7.2004 geltende RVG vorliegend anwendbar (vgl. § 61 Abs. 1 S. 1 RVG); jedoch steht den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen diesen bereits deshalb keine selbstständige Gebühr zu, weil die geforderte Gebühr für das Haftungsrisiko nicht in dem als Anlage 1 dem RVG beigefügten VV aufgeführt ist. Dies wäre jedoch nach der Systematik des RVG erforderlich gewesen (vgl. § 2 Abs. 2 RVG).
Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich eine eigenständige Gebühr insbesondere nicht aus dem hier anwendbaren § 14 Abs. 1 RVG. Danach bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (S. 1). Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden (S. 2). Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (S. 3).
Nach Systematik und Struktur dieser Norm enthält § 14 Abs. 1 S. 3 RVG keinen eigenen Gebührentatbestand im Sinne einer Haftungsgebühr; das Haftungsrisiko ist vielmehr lediglich ein Kriterium für die Bemessung der Rahmengebühren (vgl. auch Hartmann, KostG, 36. Aufl. 2008, § 14 RVG...