RVG §§ 23, 33; RVG VV Nrn. 3335, 3500
Leitsatz
Der Gegenstandswert im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren ist nicht anhand des Hauptsachestreitwerts, sondern aufgrund des Interesses an der erstrebten Prozesskostenhilfegewährung zu bestimmen.
VGH Mannheim, Beschl. v. 12.3.2009–9 S 2832/08
1 Aus den Gründen
Nach § 33 Abs. 1 RVG wird der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluss selbstständig festgesetzt, wenn es an einer Streitwertfestsetzung fehlt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren allenfalls eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr anfallen kann (vgl. Nr. 5502 GKG-KostVerz.) und ein Streitwert im Rücknahmebeschluss daher nicht festgesetzt wurde. Zur Entscheidung über den Antrag, der gem. § 33 Abs. 2 S. 2 RVG auch vom Prozessbevollmächtigten gestellt werden kann, ist gem. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG der Senat berufen, weil der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen hat.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens ist nach § 23 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 2 RVG unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das damit heranzuziehende Interesse des Beschwerdeführers an der erstrebten Prozesskostenhilfegewährung ist aber nur darauf gerichtet, von den Gerichts- und Rechtsanwaltskosten im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren entlastet zu werden. Maßgeblich für die Wertbestimmung im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren ist daher dieses Kostenrisiko und nicht der für die Hauptsache anzusetzende Streitwert (a.A. VGH München NJW 2007, 861). Nur aus diesem Gegenstandswert ergibt sich die in Nr. 3500 VV bestimmte halbe Gebühr.
Etwas anderes folgt auch nicht aus Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV, wonach im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Gegenstandswert nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert zu bestimmen ist. Denn dieser Gebührentatbestand findet nur bezüglich des erstinstanzlichen Verfahrens Anwendung, für das auch § 23 Abs. 1 S. 2 RVG auf die Wertvorschriften des GKG verweist. Hinsichtlich der Gegenstandswertfestsetzung im Beschwerdeverfahren enthält § 23 Abs. 2 RVG dagegen eine andere Regelungssystematik, nach welcher der GKG-Streitwert nur die Obergrenze des am Interesse zu orientierenden Gegenstandswerts markiert. Dementsprechend enthält auch der für das Beschwerdeverfahren maßgebliche Gebührentatbestand aus Nr. 3500 VV eine entsprechende Festlegung nicht. Das Auseinanderfallen der Gegenstandswertfestsetzung in erster und zweiter Instanz ist daher direkte Folge der in § 23 RVG enthaltenen Differenzierung (vgl. zur getrennten Betrachtungsweise der jeweiligen Rechtszüge auch § 15 Abs. 2 RVG).
Für das danach maßgebliche Kostenrisiko im Hauptsacheverfahren erster Instanz ist von einem Streitwert in Höhe von 15.000,00 EUR auszugehen. Denn in Streitsachen über die Berufsberechtigung ist gem. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 14.1 des Streitwertkatalogs der Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens jedoch ein Betrag von 15.000,00 EUR anzusetzen. Demgemäß geht der Senat in ständiger Rspr. grundsätzlich von einem Streitwert in Höhe von 15.000,00 EUR aus (vgl. etwa Senat, Beschl. v. 27.7.2005–9 S 729/05).
Das Kostenrisiko der Hauptsacheklage beziffert sich daher auf 726,00 EUR hinsichtlich der Gerichtskosten (dreifache Gebühr nach Nr. 5110 KV GKG aus der nach § 34 Abs. 1 S. 2 GKG bestimmten Gebühr von 242,00 EUR) und 1.707,65 EUR hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten (1,3-Verfahrensgebühren nach Nr. 3100 VV aus der nach § 13 Abs. 1 RVG bestimmten Gebühr von 566,00 EUR [735,80 EUR] + 1,2-Terminsgebühren nach Nr. 3104 VV [679,20 EUR] + Auslagenpauschale [20,00 EUR] + 19 % Mehrwertsteuer [272,65 EUR]). Das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers am Prozesskostenhilfeverfahren ist daher auf 2.433,65 EUR zu beziffern.