StGB § 67e; RVG VV Vorbem. 4 Abs. 4
Leitsatz
Befindet sich ein Untergebrachter im Rahmen von Lockerungen in einem Übergangswohnheim, steht dem Pflichtverteidiger im Unterbringungsverfahren der Haftzuschlag (erhöhte Terminsgebühr) zu. Diese Fallgestaltung ist vergleichbar mit dem Aufenthalt eines Verurteilten im offenen Vollzug.
OLG Jena, Beschl. v. 30.1.2009–1 Ws 29/09
1 Sachverhalt
Im Maßregelvollzugsverfahren wurde Rechtsanwalt F dem Verurteilten wiederholt, zuletzt mit Beschl. v. 21.5.2007 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Am 5.6.2007 nahm er an der Anhörung des Verurteilten im Verfahren nach § 67e StGB teil und legte für den Verurteilten unter dem 13.7.2007 gegen den Beschluss des LG Gera vom 12.6.2007, zugestellt am 19.7.2007, Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung vom 31.7.2007 stellte der Rechtsanwalt für den Verurteilten klar, dass sich das Rechtsmittel ausschließlich gegen die festgelegte Dauer der Bewährungszeit und Führungsaufsicht sowie gegen angeordnete Auflagen richtet. Daraufhin wurde der Verurteilte am 7.8.2007 aus dem Maßregelvollzug entlassen.
Auf die Beschwerde des Verurteilten wurde der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des LG Gera vom 12.6.2007 durch den Senat mit Beschl. v. 27.9.2007 teilweise abgeändert.
Mit Schriftsatz vom 9.1.2008 beantragte der Verteidiger die Festsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren für das Prüfungsverfahren vor der Strafvollstreckungskammer nach § 68e StGB wie folgt:
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Verfahrensgebühr gem. Nr. 4201 VV 300,00 EUR |
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Terminsgebühr gem. Nr. 4203 VV 145,00 EUR |
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Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen gem. Nr. 7002 VV 20,00 EUR |
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Fahrtkosten Nr. 7003 VV, 2 × 30 km × 0,30 EUR/km 18,00 EUR |
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Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV, zum Termin am 5.6.2007 20,00 EUR |
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Zwischensumme 503,00 EUR |
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19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV 95,57 EUR |
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Parkgebühren Nr. 7006 VV 4,40 EUR |
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Gesamtbetrag 602,97 EUR |
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 9.1.2008 beantragte der Verteidiger, für das Beschwerdeverfahren Gebühren und Auslagen in Höhe von 380,80 EUR festzusetzen.
Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.1.2008 wurde die Vergütung hinsichtlich des Prüfungsverfahrens nach § 68e StGB vor der Strafvollstreckungskammer auf 506,58 EUR festgesetzt. Die Entscheidung ging davon aus, dass Gebühren mit Zuschlag nach Nrn. 4201 bzw. 4203 VV nicht entstanden seien, da sich der Verurteilte seit dem 2.10.2006 im Übergangswohnheim Bad Klosterlausnitz aufgehalten habe. Ein Gebührenanspruch bestehe nur nach Nr. 4200 bzw. 4202 VV.
Mit seiner Erinnerung wendete sich der Verteidiger gegen die Absetzung hinsichtlich der Gebühren für das Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer. Die Rechtspflegerin half der Erinnerung des Verteidigers nicht ab und legte die Sache der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung vor, die die Erinnerung des Verteidigers zurückgewiesen hat. Dagegen hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt, die Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
Dem Beschwerdeführer stehen die Haftzuschläge für das Prüfungsverfahren nach § 67e StGB vor der Strafvollstreckungskammer zu.
Nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV entsteht die Gebühr mit Zuschlag, wenn sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet. Diese Regelung beruht auf der Überlegung, dass die Verteidigung eines nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten in der Regel Erschwernisse mit sich bringt und einen erheblich größeren Zeitaufwand erfordert (vgl. BT-Drucks 15/1971 S. 221). Dies folgt schon aus der in der Regel erschwerten Kontaktaufnahme zum Beschuldigten.
Für die Entstehung des Anspruches auf die Gebühr mit Zuschlag kommt es aber nicht darauf an, ob im Einzelfall aufgrund der Inhaftierung Umstände gegeben sind, die konkrete Erschwernisse der Tätigkeit des Rechtsanwalts zur Folge haben (vgl. Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG, 9. Aufl., VV Teil 4, Abschnitt 1 Rn 14). Die Vorbem. 4 Abs. 4 VV enthält nach ihrem klaren Wortlaut nämlich eine generelle, nicht auf den Einzelfall bezogene Regelung ohne Ausnahmen oder Einschränkungen ihrer Anwendung (vgl. KG StraFo 2007, 483).
Verbüßt ein Verurteilter Strafhaft, entsteht der Haftzuschlag auch, wenn sich der Verurteilte im offenen Vollzug befindet (vgl. KG a.a.O.; LG Aachen AGS 2007, 242, 243). Dabei ist eine Abgrenzung anhand des konkreten Lockerungsstatus im Einzelfall praktisch schwer möglich und vom Gesetz auch nicht vorgesehen (KG NStZ-RR 2009, 31).
Befindet sich ein Verurteilter nicht in Strafhaft, sondern im Maßregelvollzug, müssen diese Grundsätze entsprechend angewandt werden.
Davon geht grundsätzlich auch der angefochtene Beschluss aus, kommt aber unter Berücksichtigung der Entscheidung des LG Berlin (AGS 2007, 562), die durch o.g. Entscheidung des KG in NStZ-RR 2009, 31 bestätigt wurde, zur Würdigung, dass hier der Verurteilte im Übergangswohnheim in Bad Klosterlausnitz praktisch auf "freiem Fuße" lebte.
Dieser Bewertung schließt sich der Senat nicht an.
Die vorliegende Sache unterscheidet sich von der vom LG Berlin und vom KG beurteilten Fallgestaltung, denn der Verurteilte war hier in seiner Be...