GKG §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2
Leitsatz
Wenn die Behörde einem Kraftfahrzeughalter unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuchs ab Zustellung der Verfügung auferlegt, wird die Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig vorweggenommen. Der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entspricht in diesem Fall dem Streitwert des Hauptsacheverfahrens (Änderung der Senatspraxis).
VGH Mannheim, Beschl. v. 9.2.2009–10 S 3350/08
1 Aus den Gründen
Die Streitwertfestsetzung findet ihrer Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004. Nach Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs beträgt der Streitwert bei Anfechtungsklagen gegen eine Fahrtenbuchauflage 400,00 EUR pro Monat. Diesen Streitwert hat der Senat in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend der Empfehlung Nr. 1.5 S. 1 des Streitwertkatalogs in ständiger Rspr. halbiert (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 12.9.1988–10 S 2483/88, v. 17.11.1997–10 S 2113/97, v. 6.11.1998–10 S 2625/98, v. 26.6.2007–10 S 722/07; ebenso BayVGH, Beschl. v. 7.11.2008–11 Cs 08.2650, u. Beschl.. v. 21.4.1994–11 C 94.1062 – DAR 1994, 335, OVG NRW, Beschl. v. 15.3.2007–8 B 2746/06, OVG des Saarlandes, Beschl. v. 14.4.2000–9 V 5/00). Eine den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens berücksichtigende Verminderung des Streitwerts ist aber nicht geboten. Denn wenn die Behörde einem Kraftfahrzeughalter unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer eines Jahres ab Zustellung der Verfügung auferlegt, wird die Hauptsache im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig vorweggenommen. Hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen Erfolg, hat der Fahrzeughalter das Fahrtenbuch zumindest bis zur Entscheidung der Hauptsache zu führen, ohne dass eine Rückgängigmachung möglich ist. Wird dem Betroffenen aber vorläufiger Rechtsschutz gewährt, erledigt sich das Hauptsacheverfahren im Fall einer mit der Zustellung beginnenden Verpflichtung zum Führen eines Fahrtenbuchs regelmäßig durch Zeitablauf (vgl. BayVGH, Urt. v. 1.10.1984, BayVBl. 1985, 23 m.w.N.). Denn auch bei kurzen Verfahrenslaufzeiten ist davon auszugehen, dass die in der Fahrtenbuchauflage gesetzte Frist bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids und dem rechtskräftigen Abschluss eines sich daran ggf. anschließenden Klageverfahrens jedenfalls zum überwiegenden Teil verstrichen ist. Anders als in dem Fall, in dem die Behörde den Zeitraum der Buchführungspflicht nicht kalendermäßig festgelegt hat und diese gegebenenfalls nur aufgeschoben wird (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 12.11.1979 – X 1776/79), ist bei einem Beginn der Verpflichtung mit Zustellung der Verfügung das Interesse am vorläufigen Rechtsschutz mit der Bedeutung der Hauptsache deshalb in einer Weise identisch, die es rechtfertigt, den Streitwert der Hauptsache auch für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes festzusetzen (vgl. Nr. 1.5 S. 2 des Streitwertkatalogs). Entsprechendes gilt, wenn in der Verfügung ein zeitnahes Kalenderdatum für den Beginn der Buchführungspflicht festgesetzt wird. Die hiervon abweichende Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ändert der Senat in Ausübung seiner Befugnis nach § 63 Abs. 3 S. 1 GKG ab.
2 Anmerkung
Der Streitwert in verwaltungsgerichtlichen Verfahren richtet sich nach § 52 Abs. 1 GKG. Zur Ausfüllung des billigen Ermessens, vor allem in den Fällen, in denen es – wie hier – nicht um eine Geldforderung geht, haben das BVerwG und die OVG/VGH den sog. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeitet, der als Empfehlung für die gerichtliche Praxis heranzuziehen ist. Eine Bindungswirkung kommt dem Streitwertkatalog allerdings nicht zu. Ungeachtet dessen hält sich die Rechtsprechung ganz überwiegend an die dortigen Empfehlungen.
Für Verfahren über eine Fahrtenbuchauflage findet sich die betreffende Empfehlung in Nr. 46.13 des Streitwertkatalogs. Danach ist für jeden Monat, den das Fahrtenbuch zu führen ist, ein Betrag in Höhe von 400,00 EUR anzusetzen. Eine Unterscheidung nach Fahrzeugart oder nach Fahrerlaubnisklasse des Adressaten ist nicht vorgesehen. Ebenso wenig ist ein Mindest- oder ein Höchstwert vorgesehen.
Liegt ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugrunde, also insbesondere ein Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO, ist von dem hälftigen Wert auszugehen, also von 200,00 EUR je Monat (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).
Nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG gelten diese Werte auch für eine außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts, also für die Tätigkeit gegenüber der Verwaltungsbehörde.
Norbert Schneider