RVG § 15; RVG VV Nr. 3104
Leitsatz
- Der Prozessbevollmächtigte, der im Termin nicht nur die eigene Partei, sondern in Untervollmacht auch deren Streitgenossen vertritt, kann die Terminsgebühr nicht zweimal liquidieren, sondern nur einmal.
- Hat die eigene Partei die Terminsgebühr in vollem Umfang zur Kostenfestsetzung angemeldet, ist davon auszugehen, dass sie sie im Innenverhältnis aller Streitgenossen allein zu tragen hat.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.12.2009–6 W 102/09
Sachverhalt
Das LG hatte die Klage des Klägers gegen die vier Beklagten abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den Beklagten zu 1) und 2) war für beide Instanzen Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Die Beklagten zu 1) und 2) einerseits und die Beklagten zu 3) und 4) andererseits waren im Rechtsstreit jeweils durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vertreten. Im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung erschien für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3) und 4) in Untervollmacht.
Das LG hat mit erstem Kostenfestsetzungsbeschluss die von dem Kläger an die Beklagten zu 3) und 4) zu erstattenden Kosten für beide Instanzen auf 2.558,86 EUR festgesetzt. Darin enthalten ist eine 1,2-Terminsgebühr für das Verfahren erster Instanz.
Durch weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG die von dem Kläger an die Beklagten zu 1) und 2) für beide Instanzen zu erstattenden Kosten auf 1.682,30 EUR festgesetzt, wobei es für jede Instanz die aus der Staatskasse erhaltene PKH-Vergütung in Höhe von insgesamt 1.945,18 EUR von dem Erstattungsbetrag in Höhe von 3.627,48 EUR abgezogen hat. Die anwaltlichen Vertreter der Beklagten zu 1) und 2) haben dabei für die erste Instanz ebenfalls eine 1,2-Terminsgebühr berechnet und festgesetzt erhalten.
Gegen diesen weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde. Dabei beanstandet er die für die erste Instanz festgesetzte Terminsgebühr in Höhe von 538,80 EUR zuzüglich Umsatzsteuer mit der Begründung, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3) und 4) sei für die Beklagten zu 1) und 2) im Termin aufgetreten, zu dessen Gunsten sei bereits eine Terminsgebühr festgesetzt worden, die Terminsgebühr für die Tätigkeit desselben Anwalts könne nicht noch ein weiteres Mal festgesetzt werden.
Der sofortigen Beschwerde hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen.
Aus den Gründen
Zugunsten der Beklagten zu 1) und 2) kann keine Terminsgebühr für das Verfahren erster Instanz festgesetzt werden. Eine Terminsgebühr ist nicht entstanden.
Die Beklagten zu 1) und 2) haben an ihrem Wohnort einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt. Dieser ist nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung in erster Instanz angereist und hat deshalb auch selbst keine Terminsgebühr verdient.
Die Beklagten zu 1) und 2) können nicht geltend machen, sie hätten ihrem Prozessbevollmächtigten eine Terminsgebühr deshalb zu entrichten, weil dieser den anwaltlichen Vertreter der Beklagten zu 3) und 4) als Unterbevollmächtigten eingeschaltet hätte, Nr. 3402 VV. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3) und 4) hat nur eine Terminsgebühr verdient, diese ist bereits zugunsten der Beklagten zu 3) und 4) festgesetzt worden. Die zusätzliche Vertretung der Beklagten zu 1) und 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem er auch für die Beklagten zu 3) und 4) aufgetreten ist, löst keine zweite Terminsgebühr aus. Dem steht § 15 Abs. 2 S. 1 RVG entgegen, wonach der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3) und 4) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.4.2007 für alle vier Beklagten entfaltete Tätigkeit stellte für ihn insgesamt dieselbe Angelegenheit dar.
Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt zu besorgen hat. Der Begriff der Angelegenheit schließt eine Vielzahl anwaltlicher Tätigkeiten zu einer gebührenrechtlichen Einheit zusammen und grenzt bei mehreren Auftraggebern die Tätigkeiten, für die eine Gesamtvergütung zu berechnen ist, von den Tätigkeiten ab, für die der Rechtsanwalt getrennte Gebühren verlangen kann. Dabei ist die Angelegenheit weder an den Auftrag noch an die Person des Auftraggebers gebunden.
Das RVG geht – wie die BRAGO – von der Vorstellung aus, dass die Angelegenheit bei der Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen mit diesem Verfahren identisch ist. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, nach der die Gebühren in jedem Rechtszug gefordert werden können, stellt deshalb eigens klar, dass nicht das gesamte Verfahren als eine Angelegenheit, sondern jeder Rechtszug als besondere Angelegenheit zu behandeln ist. Daraus ergibt sich der Umkehrschluss, dass innerhalb desselben prozessualen Rechtszugs nur dann mehrere Angelegenheiten vorlieg...