ZPO §§ 269, 344, 700; RVG VV Nr. 3308

Leitsatz

Wird die Klage nach Erlass eines Vollstreckungsbescheides zurückgenommen, trägt der Beklagte nicht die Kosten des Vollstreckungsbescheidverfahrens. Es handelt sich insoweit nicht um "Kosten der Säumnis" i.S.d. § 344 ZPO.

AG Halle, Beschl. v. 29.9.2009–95 C 3033/09

Sachverhalt

Die Klägerin hatte gegen den Beklagten einen Mahnbescheid erwirkt, gegen den kein Widerspruch erhoben wurde. Auf Antrag der Klägerin ist daraufhin ein Vollstreckungsbescheid ergangen. Nachdem der Beklagte Einspruch eingelegt hatte, hat die Klägerin die Klage zurückgenommen. Sie ist der Auffassung, der Beklagte habe die Kosten für den beantragten Vollstreckungsantrag zu tragen. Diese seien nur entstanden, weil der Beklagte es versäumt hatte, fristgemäß bereits im Mahnverfahren Widerspruch einzulegen.

Aus den Gründen

Die Kosten des Rechtsstreits waren der Klägerin aufzuerlegen (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO). Hiernach trifft im Falle einer Klagerücknahme die Kostenlast den Kläger.

Ein Ausnahmefall von diesem Grundsatz liegt nicht vor (§ 269 Abs. 3 S. 2, Alt. 2 ZPO). Insbesondere sind die Kosten dem Beklagten nicht aufgrund der Vorschriften über die Säumnis aufzuerlegen (§§ 344, 700 Abs. 1 ZPO). Nach diesen Regelungen steht ein Vollstreckungsbescheid grundsätzlich einem Versäumnisurteil gleich. Bei diesem trägt die säumige Partei selbst dann die Kosten ihrer Säumnis, wenn sie in der Sache – nach Einspruch – obsiegt.

Diese Konstellation ist vorliegend indes nicht gegeben. Der Beklagte war nicht säumig (§ 230 ZPO). Danach ist säumig, wer es unterlässt, Prozesshandlungen innerhalb der gesetzten Fristen vorzunehmen (Zöller/Stöber/Greger, ZPO, vor § 230 Rn 1).

Dies kann geschehen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, zu der der Beklagte ordnungsgemäß geladen wurde. Eine solche fand nicht statt.

Eine Säumnis kommt weiter in Betracht bei der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens (§ 276 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung hierfür ist eine Aufforderung durch das Gericht an den Beklagten, seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Der Beklagte wurde weder seitens des Gerichts noch seitens der Klägerin dazu aufgerufen, Stellung zu dem Mahnbescheid zu beziehen. Zwar hätte er – untechnisch – seine Verteidigungsbereitschaft dadurch anzeigen können, indem er Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegte. Allerdings handelt es sich bei § 694 Abs. 1 ZPO um eine "Kann"– Vorschrift. Sie stellt es dem Beklagten frei, (schon) auf einen Widerspruch zu reagieren. Daher begründet dessen Unterlassen allein für sich gesehen noch keine Säumnis des Beklagten.

Anmerkung

Zwei Fragen sind auseinander zu halten:

I. Sind die Kosten eines Vollstreckungsbescheids Kosten der Säumnis?

Das AG Halle verneint dies. Dagegen wurde dies bislang in Rspr. und Lit. bejaht.[1] Die Entscheidung des AG Halle gibt allerdings Anlass über diese Auffassung nachzudenken.

II. Trägt der Beklagte, gegen den ein Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid ergangen ist, überhaupt die durch seine Säumnis veranlassten Kosten, wenn der Kläger die Klage zurücknimmt?

Zum Teil wurde vertreten, § 269 ZPO sei die "stärkere" Vorschrift, sodass im Falle einer Klagerücknahme eine Austrennung der Säumniskosten nicht in Betracht komme.

Der BGH hat zwischenzeitlich jedoch klargestellt, dass ein Beklagter, gegen den ein Versäumnisurteil, das in gesetzlicher Weise ergangen ist, die durch die Säumnis veranlassten Kosten auch dann trägt, wenn der Kläger die Klage zurücknimmt.[2]

[1] So z.B. OLG München NJW-RR 2002, 142; MDR 2001, 533 = OLGR 2001, 136 = NJW-RR 2001, 1150.
[2] BGH AGS 2004, 243 = BB 2004, 1470 = WuM 2004, 414 = WM 2004, 1501 = NJW 2004, 2309 = BGHR 2004, 1126 = FamRZ 2004, 1366 = GE 2004, 1024 = JurBüro 2004, 544 = MDR 2004, 1082 = JR 2005, 70 = Mietrecht kompakt 2004, 159 = RVGreport 2004, 359.

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