Der Antrag der Prozessbevollmächtigten auf Festsetzung des Gegenstandswertes ist gem. § 33 Abs. 1 RVG zulässig.

In der Sache ist eine Festsetzung des Gegenstandswerts auf je 30 Mio. EUR für die Beklagten zu 1) und 2), mithin auf insgesamt 60 Mio. EUR vorzunehmen.

Der für die Bemessung der Gerichtskosten maßgebliche Streitwert, der gem. § 39 Abs. 2 GKG auf 30 Mio. EUR begrenzt ist, bestimmt im vorliegenden Fall nicht zugleich den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit. Denn gem. § 23 Abs. 1 S. 1 und 4 RVG bleibt die Vorschrift des § 22 Abs. 2 S. 2 RVG zu berücksichtigen. Sind danach in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber, beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Mio. EUR, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Mio. EUR.

§ 22 Abs. 2 S. 2 RVG ist im vorliegenden Fall anwendbar. Die Streitfrage, ob die Vorschrift lediglich dann zum Zuge kommt, wenn keine "wirtschaftliche Identität" gegeben ist, sondern der anwaltlichen Tätigkeit für die mehreren Auftraggeber verschiedene Gegenstände zugrunde liegen (ablehnend z.B. OLG Köln NJW 2009, 3586), bedarf, soweit es um die Beklagten zu 1) und 2) geht, keiner Beantwortung. Denn eine wirtschaftliche Identität besteht jedenfalls nicht bezüglich der gegen diese Beklagten geltend gemachten Zahlungsansprüche. Verschiedene Gegenstände, die eine wirtschaftliche Identität ausschließen, liegen beispielsweise dann vor, wenn es um Verpflichtungen von Streitgenossen geht, die jeder für sich selbst zu erfüllen hat, wobei es maßgeblich auf die Antragstellung ankommt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 1008 Rn 146, 148).

Anders liegt es bei der Frage, ob auch bezüglich der Tätigkeit für den Beklagten zu 4) die Vorschrift des § 22 Abs. 2 S. 2 RVG zur Anwendung kommt. Der Beklagte zu 4) wird lediglich gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) auf Feststellung seiner Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Insoweit besteht eine wirtschaftliche Identität mit der Inanspruchnahme des Beklagten zu 1). Nach Auffassung des Senats kommt eine Addition der Gegenstandswerte im Rahmen des § 22 Abs. 2 S. 2 RVG unter diesen Voraussetzungen nicht in Betracht (so im Ergebnis auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 1008 VV Rn 134; Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 4. Aufl., § 22 Rn 28; Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 22 Rn 17). Die einheitliche Auslegung des § 22 RVG einerseits und der Nr. 1008 VV andererseits legt es nahe, die Anwendung auch des § 22 Abs. 2 S. 2 RVG auf Fälle zu beschränken, in denen der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit nicht derselbe i.S.v. Nr. 1008 VV ist, also keine wirtschaftliche Identität vorliegt. Eine Auslegung des § 22 Abs. 2 S. 2 RVG dahingehend, dass es für seine Anwendung nicht darauf ankommt, ob es sich um verschiedene Gegenstände handelt oder nicht, ist im Übrigen nicht zwingend. Aus Sicht des Senats spricht mehr dafür, dass der Grundsatz des § 22 Abs. 1 RVG, der eine Wertaddition (nur) für den Fall des Vorliegens verschiedener Gegenstände anordnet, durch die Bestimmungen in Abs. 2 nicht außer Kraft gesetzt, sondern durch die Festsetzung von Höchstgrenzen für die Wertaddition lediglich modifiziert wird. Dies hat zur Folge, dass die anwaltliche Tätigkeit für den Beklagten zu 4) nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gegenstandswertes gem. § 22 Abs. 2 S. 2 RVG führt.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?