ZPO § 91
Leitsatz
Bahnreisekosten eines Rechtsanwalts zum Hauptverhandlungstermin sind auch dann erstattungsfähig, wenn der Rechtsanwalt den Termin infolge einer Zugverspätung versäumt.
LG Koblenz, Beschl. v. 19.3.2010 – 12 T 36/10
1 Aus den Gründen
Das AG hat die Festsetzung der obig genannten Positionen mit der Begründung abgelehnt, Kosten für den wegen Verspätung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin verlegten Termin seien nicht notwendig i.S.d. § 91 ZPO. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Verspätung der Bahn zu Lasten der Beklagten gehen solle. Die Erstattungsfähigkeit derartiger Kosten sei im Anschluss an LG Kassel MDR 1992, 1189 zu verneinen. Diese Auffassung teilt das Beschwerdegericht nicht.
"Notwendig" i.S.d. § 91 ZPO sind Kosten, welche für Handlungen entstehen, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet erscheinen, das im Streit stehende Recht zu verfolgen. Maßstab ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt ex ante als sachdienlich erachten durfte.
Kosten, die durch die beabsichtigte Wahrnehmung eines Verhandlungstermins ausgelöst werden, sind grundsätzlich notwendig i.d.S. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Erwerb eines Bahntickets sowie die Abwesenheit vom Kanzleisitz zwecks Anreise zum Termin im Zeitpunkt des Erwerbs und Reiseantritts grundsätzlich als sachdienlich erachtet werden dürfen.
Diese anerkennenswerte Einschätzung des Kostenverursachers wird nicht per se dadurch im Nachhinein unrichtig, dass die Anreise wegen Verspätung und entsprechender Verlegung "unsinnig" wird. Die Versäumung des Termins für sich allein entscheidet nicht darüber, ob die Reise notwendig war oder nicht.
Aus der obig zitierten Entscheidung des LG Kassel ergibt sich nichts anderes. Diese Entscheidung ist zu Recht im Schrifttum auf Widerspruch gestoßen. Insbesondere ist die darin getätigte Argumentation, die Reise sei eine "von vornherein zwecklose" Maßnahme gewesen, die durch das verspätete Eintreffen sinnlos "geworden" sei, logisch nicht nachvollziehbar. Den in StB 1993, 388 vorgebrachten Bedenken schließt sich das Beschwerdegericht an.
Überflüssig ist die Kostenverursachung nach dem Vorgesagten nur dann, wenn den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein Planungsverschulden an der Verspätung trifft, die Verspätung also voraussehbar und vermeidbar ist. Nur dann kann die mit der Verspätung verbundene Notwendigkeit, den Termin zu verlegen, der Klägerin angelastet werden.
Da hierzu bisher keine Tatsachen vorgetragen und durch das AG bewertet wurden, ist die Sache zurückzuverweisen.