BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 RVG § 3a
Leitsatz
- Eine Zeittaktklausel, die lediglich die Aufrundung der an einem Tag angefallenen Zeiten auf eine volle Viertelstunde vorsieht, ist nicht zu beanstanden.
- Zur Frage der Unangemessenheit einer Zeitvergütung.
- Deckungsschutzanfragen sind gesonderte Angelegenheiten, die eine gesonderte Vergütung auslösen. Diese Vergütung kann dem Auftraggeber aber nur dann in Rechnung gestellt werden, wenn er auf diese Mehrkosten hingewiesen worden ist.
- Hat der Anwalt mit seinem Auftraggeber ein Zeithonorar vereinbart, darf er die für eine Deckungsschutzanfrage aufgewandten Zeiten nur abrechnen, wenn die Zeitvergütung auch für die Deckungsschutzanfrage vereinbart ist.
- Zeiten, die der Anwalt für die Zeiterfassung und die Abrechnung der Vergütung aufwendet, können nicht abgerechnet werden.
- Zur ordnungsgemäßen Rechnung i.S.d. § 10 RVG gehört bei einer vereinbarten Zeitvergütung auch eine Aufstellung der abgerechneten Stunden, bei der die jeweilige Stundenzahl den einzelnen Tagen zugeordnet und stichwortartig der Gegenstand der jeweiligen Tätigkeit angegeben wird.
- Eine Verzinsung des Vergütungsanspruchs kann erst ab Mitteilung einer ordnungsgemäßen Berechnung verlangt werden; das gilt auch für Prozesszinsen.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2011 – I-24 U 112/09
1 Sachverhalt
Der Anwalt hatte mit seinem Auftraggeber ein Zeithonorar vereinbart. In dieser Vereinbarung war eine so genannte Zeittaktklausel enthalten, die wie folgt lautete: "Angefangene Stunden eines Arbeitstages werden bei der Abrechnung des Zeithonorars jeweils in Blöcken von Viertelstunden abgerechnet." Im Rechtsstreit wandte der Auftraggeber ein, die vorgenannte Zeittaktklausel sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und benachteilige ihn unangemessen. Dieser Einwand hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
… a) Die von den Parteien vereinbarte Zeittaktklausel ist in der vorliegenden Form mit § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu vereinbaren.
aa) Der Senat hat sich bereits mehrfach mit der Zulässigkeit von Zeittaktklauseln befasst und dabei Klauseln, welche die Abrechnung jeder angefangenen Viertelstunde zu einem Viertel des Stundensatzes vorsehen, wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für unwirksam erklärt (vgl. Senat, NJW-RR 2007, 129, 130; FamRZ 2010, 1184; offen gelassen von BGH NJW 2011, 63, unter II.3.a). Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Klausel sei strukturell geeignet, das dem Schuldrecht im allgemeinen und dem Dienstvertragsrecht im besonderen zugrunde liegende Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip) empfindlich zu verletzen, wodurch der Verwendungsgegner unangemessen benachteiligt werde. Mit der Vereinbarung eines Stundenhonorars hätten die Parteien das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung privatautonom bestimmt. Von dieser vertraglich vorausgesetzten Äquivalenz weiche die Zeittaktklausel ab, indem unter Umständen mehrmals täglich für kurze Tätigkeiten jeweils 15 Minuten zu vergüten seien. Es handele sich hierbei nicht mehr um eine angemessene Kompensation für Unterbrechungen des Arbeitsflusses; vielmehr werde der Mandant evident benachteiligt, weil die Klausel strukturell zu seinen Lasten in erheblicher Weise sich kumulierende Rundungseffekte entfalte. Es könne für die Wirksamkeit der Klausel nicht darauf ankommen, ob der Rechtsanwalt von ihr extensiv oder nur zurückhaltend Gebrauch mache, da es für die Arbeit des Rechtsanwalts typisch sei, täglich nicht kontinuierlich an einem, sondern – gegebenenfalls zusätzlich mit Unterbrechungen – an mehreren Mandaten zu arbeiten. Eine minutengenaue Erfassung seines Zeitaufwandes sei dem Rechtsanwalt auch zumutbar.
Wo in Vergütungsordnungen für andere Berufsangehörige, etwa Steuerberater oder Sachverständige, Rundungen vorgesehen seien, sei schließlich durch flankierende Maßnahmen, etwa Deckelung des Stundensatzes oder Zulassung der Rundung nur für die letzte angefangene Stunde, sichergestellt, dass es zu keiner unangemessenen Vergütung komme und Kumulierungseffekten vorgebeugt werde (Senat FamRZ 2010, 1184).
bb) Orientiert an diesen Grundsätzen erachtet der Senat die hier zu beurteilende Klausel, die so zu verstehen ist, dass nur die letzte Viertelstunde eines Arbeitstages aufgerundet werden darf, für wirksam, ganz abgesehen davon, dass der Kläger bei den "time sheets" dementsprechend vorgegangen ist.
Eine Klausel, die die Aufrundung nur der letzten pro Tag angefangenen Viertelstunde vorsieht, ist in ihrer Wirkung der von dem Senat für unwirksam erachteten Klausel nicht vergleichbar. Das hat der Senat schon im Urt. v. 29.6.2006 angedeutet (NJW-RR 2007, 129, 131). Eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten geht von der Klausel nicht aus. Kann der Rechtsanwalt nur die letzte angefangene Viertelstunde eines Arbeitstages aufrunden und als volle Viertelstunde abrechnen, ist bei minutengenauer Erfassung seiner Arbeitszeit (hierzu Senat, a.a.O.) maximal eine "Mehrberechnung" von 14 Minuten täglich möglich...