§§ 91 Abs. 1, 103 ff., 278 Abs. 6 ZPO
Leitsatz
Im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren ist die Kostenvereinbarung eines gerichtlichen Vergleichs der Parteien anhand des Wortlauts umzusetzen. Demgemäß ist die Heranziehung und Würdigung von im Wortlaut des Kostentitels nicht angedeuteten Umständen unzulässig.
OLG Nürnberg, Beschl. v 16.3.2021 – 2 W 473/21
I. Sachverhalt
Das LG Nürnberg-Fürth stellte durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO fest, dass zwischen den Parteien ein Vergleich zustande gekommen ist. Dieser enthielt unter dem Punkt 8. folgende Kostenregelung:
Zitat
"a) Die Parteien des Verfahrens, mithin die Klägerin, der Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2, sind sich einig, dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt."
b) Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 1.“
Auf Antrag der Klägerin setzte der Rechtspfleger des LG die von dem Beklagten zu 1 an die Klägerin nach der vorstehend erwähnten Kostenregelung zu erstattenden Kosten auf 7.321,70 EUR nebst Zinsen fest. Dies begründete der Rechtspfleger u.a. damit, aus dem Schriftverkehr der Parteien vor Abschluss des Vergleichs ergebe sich, dass sich die Regelung zu den außergerichtlichen Kosten lediglich auf die vorgerichtlichen Kosten beziehe und i.Ü. auf die Regelung zu den gerichtlichen Kosten abzustellen sei.
Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Beklagte zu 1 geltend gemacht, aus der Kostenregelung ergebe sich, dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen habe. Angesichts dieses klaren Wortlautes bestehe für eine Auslegung kein Raum, sodass auf die außergerichtliche Korrespondenz nicht abgestellt werden könne. I.Ü. basiere der Vergleichstext nicht mehr auf den ursprünglichen Verhandlungen.
Demgegenüber hat die Klägerin in ihrer Beschwerdeerwiderung geltend gemacht, die Übernahme der ihr durch den Prozess entstandenen Rechtsanwaltskosten durch die Beklagte zu 1 sei Grundlage für den Abschluss des Vergleichs gewesen. Dies habe der Vertreter des Beklagten zu 1 sogar ausdrücklich bestätigt. Die Parteien hätten sich lediglich darauf geeinigt, dass jeder seine vorgerichtlichen Anwaltskosten selbst zu tragen habe. Die Formulierung "außergerichtliche Kosten" beruhe auf einem Versehen. Das OLG Nürnberg hat die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1 als zulässig und begründet angesehen und den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben.
II. Kostenregelung als Grundlage der Kostenfestsetzung
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Ein solcher Titel ist gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch ein Vergleich, der vor einem deutschen Gericht abgeschlossen worden ist, wobei das Gericht auch – wie hier – das Zustandekommen und den Inhalt dieses Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO durch Beschluss feststellen kann.
2. Auslegung der Kostenregelung
a) Orientierung am Wortlaut
Die Bedeutung der Kostenregelung in Nr. 8a) des gerichtlichen Vergleichs, wonach jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist nach Auffassung des OLG Nürnberg entscheidend auf den Wortlaut des Vergleichs abzustellen. Demgegenüber sei die Heranziehung und Würdigung anderer Umstände als des Textes des Kostentitels nicht statthaft (OLG Koblenz AGS 2016, 203). Wenn überhaupt – so fährt das OLG Nürnberg fort – eine Auslegung gem. § 133 BGB vorzunehmen sei, habe sich diese stets am Wortlaut der Vereinbarung zu orientieren. Dabei müsse sich die Auslegung daran halten, was in der Kostenregelung erkennbar zum Ausdruck gebracht worden sei (OLG Hamm JurBüro 1989, 1421). Deshalb sei eine vom Wortlaut abweichende Auslegung nicht zulässig (OLG Schleswig JurBüro 1983, 602). Dies hat nach den weiteren Ausführungen des OLG Nürnberg zur Folge, dass die Heranziehung und Würdigung von im Wortlaut der Kostenregelung nicht angedeuteten Umständen unzulässig ist.
b) Auslegung im Fall des OLG Nürnberg
Die Kostenregelung unter 8b) des gerichtlichen Vergleichs, wonach "die gerichtlichen Kosten des Verfahrens" die Beklagte zu 1 trägt, erfasst nach Auffassung des OLG Nürnberg nichts anderes als die Gerichtskosten, die Teil der Kosten des Rechtsstreits sind und die sich nach dem allgemeinen Verständnis ausschließlich aus den gerichtlichen Gebühren und Auslagen (s. § 1 Abs. 1 GKG) zusammensetzen. Demgegenüber verstehe man unter den von Nr. 8a) des Vergleichstextes erfassten außergerichtlichen Kosten gemeinhin zusammenfassend diejenigen Kosten eines Rechtsstreits, die nicht zu den Gerichtskosten gehörten. Hierzu gehörten auch die anwaltlichen Gebühren und Auslagen der Parteien. Diese seien jedoch nur insoweit Prozesskosten und zählten als solche zu den außergerichtlichen Kosten, als sie die Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergüten sollten. Demgegenüber seien – so fährt das OLG Nürnberg fort – Kosten einer vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit von ihnen nicht erfasst (BGH AGS 2005, 100 = RVGrep...