1. Gegenstandswert wird für Abrechnung benötigt
Dieser Fall ist ein Fall aus dem Lehrbuch und zeigt auf, wie man es gerade nicht machen sollte.
Scheidet ein Anwalt während des laufenden Verfahrens aus, dann benötigt er einen Gegenstandswert, um seine Vergütung, die ja damit fällig geworden ist, abzurechnen.
2. Vorläufige Wertfestsetzung ergibt keinen Sinn
Insoweit ist es aber völlig unsinnig, eine vorläufige Wertfestsetzung zu beantragen. Der Anwalt will ja keine vorläufige Wertfestsetzung, sondern eine endgültige Wertfestsetzung für seine Gebühren.
Ein Gericht hat vorläufig einen Wert festzusetzen, wenn Gerichtsgebühren erhoben werden, die sich nach dem Wert richten. Dies war hier der Fall, aber nicht bei Ausscheiden des Anwalts, sondern bei Einreichung der Klage (§ 63 Abs. 1 GKG). Zu diesem Zeitpunkt dürfte wohl auch eine vorläufige Wertfestsetzung vorgenommen worden sein.
Eine weitere vorläufige Wertfestsetzung, bloß weil ein Anwalt ausgeschieden ist, ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen.
Das Landgericht hätte also gar keinen (weiteren) Wert festsetzen dürfen.
3. Beschwerde gegen vorläufige Wertfestsetzung ist unzulässig
Dass eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nicht zulässig ist, entspricht einhelliger Rspr., hat sich leider bei den Anwälten immer noch nicht herumgesprochen.
Ein Anwalt wird durch eine vorläufige Wertfestsetzung auch nicht beschwert, weil er nämlich hieran nicht gebunden ist. Eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG tritt nur bei einer endgültigen Wertfestsetzung ein.
4. Auch Gegenvorstellung ist unzulässig
Auch die vom OLG empfohlene Gegenvorstellung macht keinen Sinn. Abgesehen davon, dass die Gegenvorstellung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, könnte der Anwalt damit allenfalls eine abgeänderte vorläufige Wertfestsetzung erreichen, die ihm aber wiederum nichts bringt.
5. Antrag nach § 33 RVG
Die Lösung des Falles wäre eigentlich ganz einfach gewesen:
Ein ausgeschiedener Anwalt muss eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG beantragen, nämlich für den Gegenstandswert seiner Tätigkeit. Dann wird ausschließlich im Verhältnis dieses Anwalts zu seiner Partei der Gegenstandswert seiner anwaltlichen Tätigkeit festgesetzt. Dem Gericht bleibt es dann später unbenommen, den Streitwert des Verfahrens anders festzusetzen, was insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn im Laufe des Verfahrens noch Klageerweiterung und Widerklagen hinzukommen.
Hätte hier der ausgeschiedene Anwalt eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG beantragt, dann hätte das Gericht eine abschließende Wertfestsetzung für seine Tätigkeit vornehmen müssen.
Hätte es dann – wie geschehen – falsch festgesetzt, wäre dagegen gem. § 33 Abs. 3 RVG die Beschwerde möglich gewesen.
Hätte der ausgeschiedene Anwalt dies berücksichtigt, dann hätte er jetzt schon längt eine zutreffende Wertfestsetzung nach einem höheren Wert. Durch seinen unsinnigen Antrag hat er unnötige Arbeit aufgewandt und Zeit verschenkt.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkrichen
AGS 8/2021, S. 377 - 379