§ 68 GKG; § 33 RVG
Leitsatz
Die im eigenen Namen erhobene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten einer Partei gegen eine vorläufige Gegenstandswertfestsetzung ist auch dann unzulässig, wenn infolge eines Anwaltswechsels der Gebührenanspruch gegen den Mandanten fällig geworden ist.
OLG Dresden, Beschl. v. 6.10.2020 – 4 W 678/20
I. Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten in einer Arzthaftungsstreitigkeit auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht für materielle Zukunftsschäden in Anspruch. Nach Anwaltswechsel hat das LG auf Antrag des neuen Prozessbevollmächtigten den Streitwert mit Beschl. v. 8.7.2020 auf 125.000,00 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der ausgeschiedene Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen "Beschwerde" erhoben und beantragt, den Streitwert auf 340.011,00 EUR festzusetzen. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Beschwerde ist unzulässig
1. Vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar
Das als einfache Beschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG i.V.m. § 32 RVG auszulegende Rechtsmittel des ausgeschiedenen Prozessbevollmächtigten ist unzulässig. Es fehlt an einer Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG. Das zugrunde liegende Arzthaftungsverfahren ist bislang nicht abgeschlossen. Das LG hat vielmehr einen Beweisbeschluss erlassen, der bis heute nicht erledigt ist. Die erfolgte "Streitwertfestsetzung" stellt sich damit der Sache nach als vorläufige Festsetzung des Gegenstandswerts i.S.d. § 63 Abs. 1 S. 1 GKG dar. Nach ganz h.A. – der sich der Senat anschließt – ist aber die Beschwerde des Rechtsanwalts einer Partei gegen die vorläufige Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 63 Abs. 1 S. 1 GKG unzulässig, weil es an einer beschwerdefähigen Entscheidung fehlt. Die Beschwerde des § 68 GKG ist allein gegen die endgültige Gegenstandswertfestsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG statthaft. Nach § 63 Abs. 2 S. 1 GKG darf das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren aber erst dann endgültig festsetzen, wenn eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat (OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.4.2019 – 13 WF 81/19; vgl. OLG Frankfurt AGS 2007, 256 ff.; OLG Koblenz NJW-RR 2009, 499 OLG Jena, MDR 2010, 1211). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das LG gleichwohl eine abschließende Entscheidung treffen wollte, die dann in der Beschwerdeinstanz nur aufgehoben, nicht aber abgeändert werden könnte.
2. Keine Anfechtungsmöglichkeit nach § 32 Abs. 2 RVG
Auch § 32 Abs. 2 S. 1 RVG führt nicht zu einem weitergehenden Beschwerderecht des Rechtsanwalts. Dass das dem Rechtsanwalt nach § 32 Abs. 2 RVG zustehende eigene Beschwerderecht hinsichtlich der gerichtlichen Wertfestsetzung weiter gehen soll als das den Parteien zustehende Beschwerderecht, ist der genannten Vorschrift nicht zu entnehmen (OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2010 – 10 WF 313/10 – m.w.N., juris Rn 8; OLG Dresden OLGR 2008, 593; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 3.12.2007 – LS KA 3492/07). Es verbleibt vielmehr bei dem das Gebührenrecht prägenden Grundsatz, dass der Anwalt im Wertfestsetzungsverfahren keine weitergehenden Beschwerdemöglichkeiten haben darf als die von ihm vertretene Partei (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 32 Rn 96 m.w.N.).
Dem wird zwar von einer Mindermeinung mit dem Verweis darauf entgegengetreten, dass der Anwalt ansonsten das Insolvenzrisiko seiner Partei trüge (Bischof/Jungbauer, RVG, 7. Aufl., § 32 Rn 24; Schneider, MDR 2000, 381; im Ergebnis aber ohne Begründung auch Hartmann/Toussaint, KostG, 50. Aufl., § 32 RVG Rn 14; OLG Köln OLGR 2000, 323; OLG Bremen JurBüro 1988, 70). Es ist aber nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf dieses Insolvenzrisiko eine Ausnahme von der Regelung des § 63 Abs. 1 S. 2 GKG schaffen wollte. Einem solchen Risiko kann der Rechtsanwalt ohnehin dadurch begegnen, dass er vor Klageerhebung und Festsetzung eines vorläufigen Gegenstandswerts durch das Gericht einen angemessenen Vorschuss (§ 9 RVG) verlangt, dem er seine eigene Auffassung zur Streitwerthöhe zugrunde legen kann (LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Hat er einen solchen Vorschuss erhalten, ist er nicht verpflichtet, vor einer abschließenden Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG den überschießenden Teil schon nach einer vorläufigen Gegenstandfestsetzung nach § 63 Abs. 1 S. 2 GKG zu erstatten. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat trotz der Beschwer, die sich daraus ergibt, dass der Rechtsanwalt bis zu einer abschließenden Entscheidung nur nach dem vorläufig unanfechtbar festgesetzten Wert abrechnen kann, für zumutbar, diesem – ebenso wie seiner Partei – ein Beschwerderecht gegen die vorläufige Festsetzung zu versagen. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – infolge eines Anwaltswechsels der Gebührenanspruch des Anwalts wegen einer Kündigung des Mandats (§ 8 Abs. 1 RVG) fällig geworden ist (a.A. Mayer/Kroiß-Kießling, a.a.O., Rn 99). Eine unzumutbare Beschwer liegt hierin für den Anwalt schon deshalb nicht, weil die Verjährung einer etwaigen Restforderung nach § 8 Abs. 2 RVG solange gehemmt ist, wie das Verf...