AGS 08/2021, Fälle zur Anrechnung der Geschäftsgebühr in ... / 4. Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren auf eine Verfahrensgebühr

In verschiedenen Konstellationen kann es vorkommen, dass außergerichtlich mehrere Geschäftsgebühren aus einzelnen Gegenständen anfallen; im gerichtlichen Verfahren dagegen nur noch eine Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert. Hier war lange Zeit strittig, wie anzurechnen sei. Der Gesetzgeber hat diese Frage zwischenzeitlich mit dem neuen § 15a Abs. 2 RVG geregelt.

Beispiel 18: Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren auf eine Verfahrensgebühr (1)

Der Anwalt macht außergerichtlich für den Auftraggeber gegen B eine Forderung i.H.v. 8.000,00 EUR geltend. Gleichzeitig wehrt in einer anderen Angelegenheit eine andere Forderung des B i.H.v. 6.000,00 EUR ab. Die Sache ist umfangreich, aber durchschnittlich. Anschließend erhebt der Anwalt Klage auf Zahlung der 8.000,00 EUR. Der Gegner erhebt Widerklage wegen seiner 6.000,00 EUR. Es wird mündlich über Klage und Widerklage verhandelt. Der Streitwert wird auf 14.000,00 EUR festgesetzt (§ 45 Abs. 1 GKG).

Im gerichtlichen Verfahren entsteht jetzt eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 14.000,00 EUR. Darauf sind jeweils 0,75 aus 8.000,00 EUR und aus 6.000,00 EUR anzurechnen.

I.	Außergerichtliche Vertretung
1.	1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV			753,00 EUR
	(Wert: 8.000,00 EUR)
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV			20,00 EUR
	Zwischensumme	773,00 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV			146,87 EUR
	Gesamt			919,87 EUR
II.	Außergerichtliche Vertretung
1.	1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV			585,00 EUR
	(Wert: 6.000,00 EUR)
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV			20,00 EUR
	Zwischensumme	605,00 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV			114,95 EUR
	Gesamt			719,95 EUR

Nach der bisherigen Auffassung des BGH^[5] sollten alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden. Danach wäre im gerichtlichen Verfahren wie folgt zu rechnen gewesen:

III.	Gerichtliches Verfahren
1.	1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV		933,40 EUR
	(Wert: 14.000,00 EUR)
2.	gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,		– 376,50 EUR
	0,75 aus 8.000,00 EUR
3.	gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,		– 292,50 EUR
	0,75 aus 6.000,00 EUR
	verbleibende Verfahrensgebühr				264,40 EUR
4.	1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV				861,60 EUR
	(Wert: 14.000,00 EUR)
5.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV				20,00 EUR
	Zwischensumme	1.146,00 EUR
6.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV				217,74 EUR
	Gesamt			1.363,74 EUR

Nach a.A.^[6] war wie folgt zu rechnen:

III.	Gerichtliches Verfahren
1.	1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV						933,40 EUR
	(Wert: 14.000,00 EUR)
2.	gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,		– 376,50 EUR
	0,75 aus 8.000,00 EUR
3.	gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,		– 292,50 EUR
	0,75 aus 6.000,00 EUR
	gem. § 15 Abs. 3 RVG analog				– 538,50 EUR
	nicht mehr als
	0,75 aus 14.000,00 EUR
4.	1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV						861,60 EUR
	(Wert: 14.000,00 EUR)
5.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV						20,00 EUR
	Zwischensumme	1.276,50 EUR
6.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV						242,54 EUR
	Gesamt					1.519,04 EUR

Der Gesetzgeber hat diese Streitfrage mit dem neuen § 15a Abs. 2 S. RVG durch das KostRÄG 2021 klargestellt:

Zitat

§ 15a Anrechnung einer Gebühr

(1) (…)

(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. (…)

Abzurechnen ist also nach der zweiten Berechnung, wobei die Lösung jetzt nicht mehr auf eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 RVG gestützt wird, sondern auf § 15a Abs. 2 RVG.

Beispiel 19: Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren auf eine Verfahrensgebühr (2)

Der Anwalt war außergerichtlich jeweils gesondert tätig hinsichtlich des Zugewinns (Wert: 20.000,00 EUR), der Auseinandersetzung des Haushalts (4.000,00 EUR) sowie des Kindesunterhalts (3.600,00 EUR). Anschließend kommt es zur Scheidung (Ehesache: 6.000,00 EUR, Versorgungsausgleich: 1.200,00 EUR), bei der Zugewinn, Haushalt und Unterhalt als Folgesache anhängig gemacht werden.

Außergerichtlich ist wie folgt abzurechnen:

I.	Zugewinn
1.	1,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV			822,00 EUR
	(Wert: 20.000,00 EUR)
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV			20,00 EUR
	Zwischensumme	842,00 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV			159,98 EUR
	Gesamt			1.001,98 EUR
II.	Haushalt
1.	1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV			417,00 EUR
	(Wert: 4.000,00 EUR)
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV			20,00 EUR
	Zwischensumme	437,00 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV			83,03 EUR
	Gesamt			520,03 EUR
III.	Unterhalt
1.	1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV			361,40 EUR
	(Wert: 3.600,00 EUR)
2.	Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV			20,00 EUR
	Zwischensumme	381,40 EUR
3.	19 % Umsa...