[Ohne Titel]
Die Anrechnung der Geschäftsgebühr bereitet in Zivilsachen häufig Schwierigkeiten. Der nachfolgende Beitrag soll einmal die wichtigsten und problematischsten Konstellationen anhand von Berechnungsbeispielen erläutern.
[Ohne Titel]
Zur Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr im Rahmen der Kostenerstattung, bei PKH-/VKH-Mandanten sowie in der Rechtsschutzversicherung werden noch gesonderte Beiträge in den nächsten Heften folgen.
I. Die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV
1. Überblick
Ausgangspunkt für die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV ist Vorbem. 3 Abs. 4 VV, die für die zivilrechtlichen Geschäftsgebühren, die sich ja nach dem Wert richten, drei wichtige Regelungen enthält:
Zitat
Vorbemerkung 3
(4) Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. (…) Sind mehrere Gebühren entstanden, ist für die Anrechnung die zuletzt entstandene Gebühr maßgebend. Bei einer wertabhängigen Gebühr erfolgt die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.
2. Die Abrechnung mit dem Auftraggeber
a) Überblick
Für die Abrechnung mit dem Auftraggeber gilt zunächst einmal § 15a Abs. 1 RVG:
Zitat
§ 15a Anrechnung einer Gebühr
(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) (…)
Der Gesetzgeber hat mit dem § 15a Abs. 1 RVG klargestellt, dass Gebühren, die aufeinander anzurechnen sind, zunächst einmal völlig unabhängig voneinander selbstständig entstehen, und zwar in voller Höhe.
Ist zunächst eine Gebühr entstanden und entsteht später eine weitere Gebühr, auf die die erste Gebühr anzurechnen ist, dann führt dies also entgegen der früheren Rspr. des BGH nicht dazu, dass die zweite Gebühr nur in verminderter Höhe, nämlich um den Anrechnungsbetrag reduziert, entsteht; vielmehr entsteht die zweite Gebühr zunächst einmal in voller Höhe und kann unbeschadet einer Anrechnung geltend gemacht werden.
Der Anwalt kann und muss dann nach § 15a Abs. 1 RVG frei wählen, welche der aufeinander anzurechnenden Gebühren er in voller Höhe einfordert und welche vermindert. Er kann selbstverständlich nicht beide Gebühren unvermindert einfordern.
b) Grundfall
Beispiel 1: Grundfall
Der Anwalt hatte nach einem Gegenstandswert von 8.000,00 EUR eine 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) verdient und anschließend im gerichtlichen Verfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV).
Nach § 15a Abs. 1 RVG entstehen diese beiden Gebühren zunächst einmal unabhängig voneinander. Insgesamt kann allerdings nicht mehr beansprucht werden als der um die Anrechnung gekürzte Betrag. Insgesamt steht dem Anwalt also zu: 1,3 + 1,3 – 0,65 = 1,95.
Fordert der Anwalt die Geschäftsgebühr in voller Höhe ein, dann darf er von der Verfahrensgebühr lediglich noch 0,65 verlangen.
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
|
|
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
672,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
127,79 EUR |
|
Gesamt |
|
800,39 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
|
|
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 326,30 EUR |
|
0,65 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
948,70 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
180,25 EUR |
|
Gesamt |
|
1.128,95 EUR |
|
Gesamt I. + II. |
|
1.929,34 EUR |
Fordert er dagegen die Verfahrensgebühr in voller Höhe ein, dann verringert sich die Geschäftsgebühr um 0,65, sodass er insoweit lediglich noch restliche 0,65 verlangen kann.
I. |
Gerichtliches Verfahren |
|
|
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.275,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
242,25 EUR |
|
Gesamt |
1.517,25 EUR |
II. |
Außergerichtliche Vertretung |
|
|
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 326,30 EUR |
|
0,65 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
346,20 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
65,80 EUR |
|
Gesamt |
412,10 EUR |
|
Gesamt I. + II. |
1.929,35 EUR |
Das Gesamtergebnis ist in beiden Fällen dasselbe. Auf das Gesamtergebnis hat es also keinen Einfluss, welche Gebühr auf welche angerechnet wird.
Das Wahlrecht des Anwalts lässt sich anschaulich an folgender Grafik darstellen:
Aus der Selbstständigkeit der beiden Gebühren folgt, dass der Anwalt an sich beide Gebühren auch gesondert ungekürzt in Rechnung stellen kann. Soweit die eine Gebühr gezahlt wird, erlischt die andere damit in Höhe des Anrechnungsbetrages. Insoweit müsste da...