§§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG; Nr. 3309 VV RVG
Leitsatz
Wird nach einer Vollstreckungsandrohung eine Zahlungsvereinbarung geschlossen, aber nicht eingehalten und wird daraufhin die Vollstreckung nochmals angedroht und schließlich durchgeführt, handelt es sich insgesamt nur um eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit.
AG Nordhausen, Beschl. v. 8.2.2021 – M 84/21
I. Sachverhalt
Der Anwalt der Gläubigerin hatte gegen den Schuldner einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid erwirkt und zunächst erfolglos eine Forderungspfändung durchgeführt. Im Anschluss drohte er die weitere Zwangsvollstreckung an, worauf am 23.1.2017 eine Teilzahlungsvereinbarung geschlossen wurde. Es wurde sodann auch eine erste Teilzahlung i.H.v. 80,00 EUR geleistet. Der Schuldner hielt diese Teilzahlungsvereinbarung im Folgenden jedoch nicht ein, sodass es zu vier weiteren Vollstreckungsandrohungen (26.5.2017, 19.1.2018, 11.6.2018 und 24.7.2018) kam, auf die der Schuldner hin seine Zahlungen immer wieder aufnahm. Schließlich stellte der Schuldner seine Zahlungen gänzlich ein, sodass das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft eingeleitet wurde. In seiner Forderungsaufstellung führte der Gläubiger für jede Vollstreckungsandrohung eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV auf. Er begründete dies damit, dass es sich um eigene Angelegenheiten handele. Die Vollstreckungsandrohungen seien ja jeweils erfolgreich gewesen, da ja zunächst immer wieder gezahlt worden und damit die angedrohten Vollstreckungsmaßnahme entbehrlich geworden sei. Die nach erneuter Einstellung der Zahlung ausgesprochene Vollstreckungsandrohung sei daher jeweils eine neue Angelegenheit anzusehen. Der Gerichtsvollzieher war der Auffassung, dass die Vollstreckungsandrohungen sowie das Verfahren auf Abgabe der Vermögensauskunft insgesamt nur eine einzige Angelegenheit sei und hat die mehrfachen Gebühren der Vollstreckungsandrohung abgesetzt. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte keinen Erfolg.
II. Gebühr für Vollstreckungsandrohung entsteht nur einmal
Grds. bilden die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit. Dabei stehen diejenigen Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen.
Danach steht dem Anwalt für die wiederholten Vollstreckungsandrohungen keine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV zu.
Gemäß Nr. 3309 VV beträgt die Verfahrensgebühr für die Zwangsvollstreckung 0,3. Diese Gebühr entgilt nach § 15 Abs. 1 RVG grds. die gesamte anwaltliche Tätigkeit vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Dieser Vorschrift gehen allerdings die als besondere Angelegenheit geregelten Fälle des § 18 RVG als Sonderregelung vor. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG stellt jede Zwangsvollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine besondere Angelegenheit dar.
Die gütliche Einigung dient allein der Vollstreckung aus dem Titel, und steht daher in engen inneren Zusammenhang mit der folgenden Zwangsvollstreckung und stellt keine besondere Angelegenheit i.S.d. § 18 Abs. 1 RVG dar.
Die vielfältigen Vollstreckungsandrohungen stehen demzufolge auch in einem inneren Zusammenhang und sind daher auch nicht jede für sich allein betrachtet gebührenauslösend. Daher konnte die Gebühr für die Vollstreckungsandrohungen nicht mehrfach festgesetzt werden.
Die Gerichtsvollzieherin hat demzufolge die Vornahme weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu Recht verweigert.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist richtig. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG stellt jede Zwangsvollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine besondere Angelegenheit dar.
Der BGH hat bereits 2003 zu § 57 BRAGO a.F. entschieden (AGS 2003, 561), dass bereits die Androhung der Zwangsvollstreckung eine gesonderte Angelegenheit darstellt und daher eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV entsteht. Wenn dann aufgrund dessen eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen wird, dient dies allein der Vollstreckung aus dem Titel, und steht daher in engen inneren Zusammenhang mit der folgenden Zwangsvollstreckung und stellt keine besondere Angelegenheit i.S.d. § 18 Abs. 1 RVG dar. Ratenzahlungsvereinbarungen beenden nämlich nicht die Zwangsvollstreckungsmaßnahme, sondern bedeuten lediglich eine Stundung. Insofern wird die angedrohte Zwangsvollstreckung lediglich aufgeschoben. Eine erneute Androhung der Zwangsvollstreckung und die letztlich durchgeführte Zwangsvollstreckungsmaßnahme bilden somit eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit (§ 15 RVG).
Folge
Die 0,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3309 VV entsteht insgesamt nur einmal für den Gläubigeranwalt bzw. Inkassounternehmen.
Im Einzelnen gilt es folgende Konstellationen zu beachten: