§ 37 RVG; § 34a Abs. 3 BVerfGG
Leitsatz
Eine Erstattung der Auslagen gem. § 34a Abs. 3 BVerfGG entspricht u.a. dann der Billigkeit, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt hat und davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat.
BVerfG, Beschl. v. 8.6.2022 – 2 BvR 13/21
I. Sachverhalt
Die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde vom 6.1.2021 betraf die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung. Das OLG Düsseldorf hatte mit dem angegriffenem Beschluss die Auslieferung für zulässig erklärt. Auslieferungshindernisse bestünden nicht. Insbesondere hätten die rumänischen Behörden zugesichert, dass dem Beschwerdeführer sowohl in der Quarantänezeit als auch im geschlossenen Strafvollzug eine anteilige Haftraumfläche von mindestens 3 m² zur Verfügung stehen werde. Die übrigen Haftbedingungen würden völkerrechtlichen Mindeststandards genügen. Die Generalstaatsanwaltschaft bewilligte die Auslieferung am 16.12.2020.
Unter Bezugnahme auf das Urt. des BVerfG v. 1.12.2020 (BVerfGE 156, 182 ff.) hatte die Generalstaatsanwaltschaft am 5.1.2021 die rumänischen Behörden zu ergänzenden Informationen sowie weiteren Zusicherungen hinsichtlich der den Verfolgten im Falle seiner Auslieferung wahrscheinlich erwartenden Haftbedingungen aufgefordert. Nachdem das OLG Düsseldorf am 7.1.2021 die Entscheidung über einen Antrag des Verfolgten auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung im Hinblick auf die angeforderten ergänzenden Informationen der rumänischen Behörden zurückgestellt hatte, erklärte der Verfolgte mit Schriftsatz vom 12.1.2021 das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem BVerfG für erledigt.
Mit Beschl. v. 10.2.2021 erklärte das OLG Düsseldorf die Auslieferung für unzulässig und hob den Auslieferungshaftbefehl sowie die Haftfortdauerentscheidungen auf. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Auslieferung in Rumänien in einer JVA inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genüge bzw., in der er entgegen Art. 4 GRCh einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Der Verfolgte hat daraufhin auch das Verfassungsbeschwerdeverfahren für erledigt erklärt.
Nach Auffassung des BVerfG sind die dem Verfolgten durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren und das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entstandenen notwendigen Auslagen gem. § 34a Abs. 3 BVerfGG durch das Land Nordrhein-Westfalen zu erstatten.
II. Auslagenerstattung nach Billigkeitsgesichtspunkten
Nach Erledigung der Hauptsache sei über die Auslagenerstattung gem. § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu befinden. Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung könne insbesondere dem Grund wesentliche Bedeutung zukommen, der zur Erledigung geführt hat. Beseitige die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder helfe sie der Beschwer auf andere Weise ab, so könne, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich seien, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet habe. In diesem Fall entspreche es der Billigkeit, sie ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, als wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. etwa BVerfGE 85, 109, 115; 87, 394, 397; BVerfGK 5, 316, 327). Eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde finde im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des BVerfG im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 264 f.; BVerfG, Beschl. v. 29.5.2018 – 2 BvR 2767/17).
Nach diesen Maßstäben entspreche es – so das BVerfG – der Billigkeit, neben der Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch die Erstattung seiner notwendigen Auslagen im Hauptsacheverfahren anzuordnen (vgl. BVerfGE 85, 109, 116). Das OLG habe mit dem Beschluss, mit dem es die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien für unzulässig erklärt habe, die Erledigung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens herbeigeführt und in der Begründung zum Ausdruck gebracht, dass es das mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachte Anliegen des Verfolgten für berechtigt erachtete.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Nach § 34a Abs. 2 BVerfGG sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren ganz oder teilweise zu erstatten, wenn sich die Verfassungsbeschwerde als begründet erweist. Für alle übrigen Fälle sieht § 34a Abs. 3 BVerfGG eine Ermessensregelung vor, wonach das BVerfGG volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen kann. Von dieser Ermessensregelung hat das BVerfG hier Gebrauch gemacht. Es ist m.E. zutreffend, wenn es dabei auf den Grund für die Erledigung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens abstellt. Nimmt die öffentliche Gewalt – so wie hier das OLG...