1. Fälligkeit der Anwaltsvergütung
Die Entscheidung des FG Dessau-Roßlau entspricht der allgemeinen Auffassung in der Kommentarlit. (s. etwa AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, § 8 Rn 51; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Aufl., 2021, § 8 Rn 16). Die Ausführungen von Mayer, a.a.O., sind allerdings nicht ganz widerspruchsfrei. So vertritt der Autor die Auffassung, die Vergütung des Rechtsanwalts werde bei Beendigung des Rechtszuges dann fällig, wenn die Erklärungen beider Parteien vorlägen, dass die Hauptsache erledigt sei. Dies gelte jedoch nur, wenn kein Kostenantrag nach § 91a ZPO nachfolge. In diesem Falle sei der Rechtszug erst mit dem Ergehen der Kostenentscheidung beendet. Dabei übersieht Mayer, dass bei Erledigung der Hauptsache ein Kostenantrag nicht erforderlich ist, weil das Prozessgericht über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen von Amts wegen entscheidet. Folglich wird in der Praxis vielfach nach beiderseitiger Erklärung der Hauptsacheerledigung überhaupt kein Kostenantrag gestellt. Gleichwohl ist die Vergütung erst mit dem Ergehen, also der Mitteilung der Kostenentscheidung an die Parteien, beendet. Soweit ich früher (Hansens, BRAGO, 8. Aufl., 1995, § 16 Rn 6 und in JurBüro 1988, 689, 692) die Auffassung vertreten hatte, der Rechtszug sei bereits durch übereinstimmende Erklärungen der Parteien, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, ungeachtet einer nachfolgenden Kostenentscheidung erledigt, habe ich diese Auffassung bereits vor langer Zeit aufgegeben.
2. Problem beim Änderungsbeschluss
Der Fall des FG Dessau-Roßlau weist allerdings ein Problem auf, auf das ich noch hinweisen möchte. Die Beklagte hatte in ihren Kostenfestsetzungsanträgen vom 13.8.2020/1.7.2021 Umsatzsteuer auf die Vergütung ihres Prozessbevollmächtigten nicht geltend gemacht, weil sie der Auffassung gewesen ist, sie könne die Umsatzsteuerbeträge zum Vorsteuerabzug verwenden. Nach Erlass des insoweit antragsgemäß und – zu Unrecht in voller Höhe anstatt nur zum Anteil von 50 % der Kosten – ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses hat sich die Beklagte eines Besseren besonnen und gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.7.2021 Erinnerung eingelegt. Diesen hat sie damit begründet, sie könne die Umsatzsteuer doch nicht zum Vorsteuerabzug verwenden, sodass nunmehr die Umsatzsteuer auf die (nur zur Hälfte zu erstattende) Anwaltsvergütung mit 19 % zu berücksichtigen sei.
Diese Erinnerung war unzulässig, weil die Beklagte durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht beschwert war. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hatte nämlich über den Kostenfestsetzungsantrag – soweit dies die Umsatzsteuer betrifft – antragsgemäß entschieden und die nicht zur Festsetzung/Ausgleichung angemeldete Umsatzsteuer nicht berücksichtigt.
Allerdings konnte in der Erinnerung der Beklagten auch ein Nachfestsetzungsantrag gesehen werden. Eine Nachfestsetzung der auf die Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten entfallenden Umsatzsteuer, deren Festsetzung die Partei zuvor wegen vermeintlicher Vorsteuerabzugsberechtigung nicht beantragt hatte, wird in der Rspr. allgemein als zulässig angesehen (OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]; OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Naumburg RVGreport 2014, 242 [Ders.]).
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 8/2022, S. 347 - 349