Das OLG Stuttgart hat die für die Entscheidung über die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Geschäftsgebühr maßgebenden Umstände gut herausgearbeitet. Dies hat der BGH bestätigt.
Wird der Rechtsanwalt in einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen tätig, so ist der von ihm auch für die Klärung schwieriger rechtlicher und tatsächlicher Fragen erforderliche Aufwand ebenso wie die hierfür aufgewandte Zeit auf sämtliche Verfahren zu verteilen. Dies kann – wie es das OLG Stuttgart hier gesehen hat – dazu führen, dass selbst eine zeitlich sehr aufwendige und in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sehr schwierige Einarbeitung des Rechtsanwalts in die Problematik, bezogen auf den jeweiligen Einzelfall, nur den Ansatz der sog. Schwellengebühr rechtfertigt, es sei denn, auch in dem betreffenden Einzelfall wäre die Anwaltstätigkeit umfangreich und schwierig gewesen. Dies gilt gerade beim sogenannten Dieselskandal, bei dem Rechtsanwälte Mandanten in einer Vielzahl von Fällen vertreten und hierbei auf die jeweilige umfangreiche und schwierige Einarbeitung in die Thematik zurückgreifen können. Dies mag man – wie das OLG Stuttgart formuliert hat – als "Aspekt der Rationalisierung" ansehen. Je mehr gleichgelagerte Fälle der Rechtsanwalt bearbeitet, desto geringer ist sein Arbeitsaufwand für die nachfolgenden einzelnen Fälle und desto einfacher ist die Bearbeitung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Denn der Rechtsanwalt muss die Ergebnisse der von ihm bereits in einer Vielzahl von anderen Fällen geleisteten Arbeit lediglich auf den nunmehr anstehenden Einzelfall übertragen, was häufig formularmäßig und möglicherweise von gut geschultem Büropersonal vorgenommen werden kann.
1. Der Rationalisierungseffekt
Der Aspekt der Rationalisierung weist jedoch in der Praxis einige Probleme auf, denen sich das OLG Stuttgart und dem folgend der BGH nicht haben stellen müssen. Wird der Rechtsanwalt bspw. im Rahmen des sogenannten Dieselskandals erstmals vorgerichtlich tätig, wird man ihm möglicherweise die Höchstgebühr mit einem Gebührensatz von 2,5 zusprechen müssen. Vielleicht ist dies auch beim zweiten und dritten Fall so. In den Folgefällen greift der Aspekt der Rationalisierung immer mehr ein, sodass sich Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in diesen Folgefällen immer mehr verringern. Das OLG Stuttgart musste sich nicht damit befassen, ab dem wievielten Fall die Rationalisierung so stark eingreift, dass lediglich der Ansatz der Schwellengebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 billig ist. Darüber kann man nämlich im Einzelfall trefflich streiten.
2. Darlegungslast
I.Ü. kann der Aspekt der Rationalisierung nur dann berücksichtigt werden und von dem ersatzpflichtigen Beklagten dargelegt und im Streitfall bewiesen wird, wenn ihm überhaupt bekannt geworden ist, dass der Rechtsanwalt des Klägers in einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen aufgetreten ist. Angesichts der Masse der Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal, der viele Gerichte gewissermaßen lahmlegt, ist dies allerdings kein großes praktisches Problem. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Rechtsanwälte der beklagten Unternehmen natürlich ebenfalls im Laufe der Zeit erfahren, welche Rechtsanwaltsbüros auf Klägerseite tätig werden. Deshalb können die Rechtsanwälte der Beklagten problemlos vortragen, dass und ggfs. in etwa welcher Anzahl die klägerischen Anwälte in gleichgelagerten Fällen tätig geworden sind.
Als problematisch würde ich es ansehen, wenn das OLG Stuttgart – wie aus einigen Formulierungen seines Berufungsurteils folgt – gewissermaßen von Amts wegen berücksichtigt hätte, dass die Rechtsanwälte des Klägers in einer Vielzahl von im Wesentlichen gleichgelagerten Fällen tätig geworden sind. Möglicherweise haben die Prozessbevollmächtigten dies aber auch so vorgetragen.
3. Kein Rationalisierungseffekt
Der Aspekt der Rationalisierung greift jedoch m.E. dann nicht ein und führt auch nicht zu einer Minderung der Höhe der Geschäftsgebühr, wenn ein gerade auf das betreffende Fachgebiet spezialisierter Anwalt die dabei zu lösenden rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen kennt und er auf diese Kenntnisse ohne besonderen Zeitaufwand einfach in einem einzigen Fall zurückgreifen kann. Dann mag zwar für diesen Spezialanwalt die außergerichtliche Vertretung in dem konkreten Einzelfall nicht umfangreich und schwierig gewesen sein. Für die Bemessung ist jedoch auf die Kenntnisse eines durchschnittlichen, nicht spezialisierten Rechtsanwalts abzustellen. Für diesen Durchschnittsanwalt wäre die Bearbeitung eines solchen Falles jedoch umfangreich und schwierig gewesen.
4. Abstellen auf den Durchschnittsanwalt
In der Praxis stellt sich jedoch häufig die Frage, welche Kenntnisse ein Durchschnittsanwalt haben mag. Ich habe in meinen Seminaren spaßeshalber sicherlich einige tausend Rechtsanwälte gefragt, ob unter ihnen ein Durchschnittsanwalt sei. Gemeldet haben sich auf die Frage insgesamt lediglich drei Anwälte, die sich selbst als Durchschnitt...