§ 1 Nr. 2 BerHFV
Leitsatz
Die Vorlage des Original-Berechtigungsscheins ist bei der elektronischen Vergütungsabrechnung nicht notwendig. Dem steht nicht entgegen, dass das vom Rechtsanwalt nach § 1 Nr. 2 BerHFV bei Antragstellung grundsätzlich zu verwendende Formular (Anlage 2 zu § 1 BerHFV) eine von der Beratungsperson abzugebende Erklärung vorsieht, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.6.2022 – 10 W 47/22
I. Sachverhalt
Es wurde in einer rechtlichen Angelegenheit Beratungshilfe bewilligt und ein Berechtigungsschein erteilt. Die Angelegenheit wurde sodann durch die Beratungsperson erledigt und die Vergütung elektronisch zur Abrechnung eingereicht. Das AG wies den Vergütungsantrag mit der Begründung zurück, die Vorlage des Original-Berechtigungsscheines, also in Papierform, sei bei Abrechnung zwingend erforderlich. Das LG Wuppertal sah dies nicht so und sah in der Vorlage des Originalberechtigungsscheines keine Notwendigkeit. Nur dann, wenn es zur Glaubhaftmachung der Vergütung notwendig sei, bedürfe es einer Vorlage des Originals. Dem gab das OLG Düsseldorf recht.
II. Keine normative Grundlage
Das OLG Düsseldorf sieht keine generelle Vorlagepflicht eines Originalberechtigungsscheines. Weder die Vorschriften des RVG zur Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen (§ 55 RVG), noch die Vorgaben des Beratungshilfegesetzes (BerHG) oder die Vorschriften der auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 11 BerHG erlassenen Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV) enthalten eine Norm, die dem Rechtsanwalt ausdrücklich aufgeben würde, bei Antragstellung auf Festsetzung seiner Vergütung den ihm vom Rechtssuchenden überlassenen Berechtigungsschein an das ausstellende Gericht zurückzugeben. Lediglich aus dem Umstand, dass das vom Rechtsanwalt nach § 1 Nr. 2 BerHFV bei Antragstellung zu verwendende Formular (Anlage 2 zu § 1 BerHFV) eine von der Beratungsperson abzugebende Erklärung vorsieht, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei, wird gefolgert, dass ein erteilter Berechtigungsschein stets im Original durch die Beratungsperson vorzulegen sei (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2020, 444, juris Rn 9 m. entspr. N.).
III. Keine Vorlage des Originalberechtigungsscheins notwendig
Das OLG Düsseldorf machte sich in seiner Entscheidung die Ansicht des LG Wuppertals zu Eigen. Danach sei es jedenfalls im Falle eines elektronisch eingereichten Vergütungsfestsetzungsantrags keine zwingende Voraussetzung für die Festsetzung der Beratungshilfevergütung des die Beratungsleistung erbringenden Rechtsanwaltes, dass der Beratungshilfeschein im Original eingereicht wird (so auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 1.4.2022 – 12 W 25/22, juris Rn 8; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.12.2019 – 9 W 30/19, juris Rn 10). Dem stehe auch nicht die Formulierung im amtlichen BerH-Formular entgegen, wonach dem Formular alternativ entweder der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung der Beratungshilfe beigefügt sei.
IV. Im Zweifel höherrangiges Recht
Das OLG Düsseldorf sieht wie gesagt keine normative gesetzliche Grundlage. Für den nicht vertretenen Fall, dass das Formular eine verbindliche Rechtsnorm darstelle, will das OLG Düsseldorf aber auch dann keine Notwendigkeit für die Vorlage eines Originalberechtigungsscheines erkennen. Die BerHFV habe dann als einfache Rechtsverordnung hinter höherrangigen Gesetzesrecht zurückzutreten (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 1.4.2022 – 12 W 25/22, juris Rn 11; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.12.2019 – 9 W 30/19, juris Rn 12). Das Gesetz eröffne ausdrücklich die Möglichkeit, Anträge als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dies schließe unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Regelungen zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs auch dazugehörige Anlagen ein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch ein (gleichrangiges) Gesetz die Vorlage bestimmter Urkunden oder Nachweise im Original angeordnet wird. Dies sei im BerHG aber nicht der Fall. Eine gesetzliche Pflicht zur Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins zusammen mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag bestehe folglich nicht und sei auch nicht begründbar. Vielmehr sei mit dieser Frage lediglich die ausreichende Glaubhaftmachung des Entstehens der Beratungshilfegebühr verbunden.
V. Vorlage des Originals nur zur Glaubhaftmachung
Grds. sei die Vorlage eines Original-Berechtigungsscheines denkbar – so auch das OLG Düsseldorf wie zuvor auch schon das OLG Oldenburg. Dies erfordere aber einen konkreten Anlass bzw. ein entsprechendes Petitum, was kundzutun ist und können nur dann verlangt werden, wenn dies zur Glaubhaftmachung des vom Rechtsanwalt geltend gemachten Vergütungsanspruches gem. § 55 Abs. S. 1 RVG, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlich ist.
VI. Bedeutung für die Praxis
Immer wieder gibt der elektronische Rechtsverkehr und die damit verbundene Antragstellung Anlass zur Diskussion. Während für die Antragstellung der Beratungshilfe erst seit dem 1.8.2021 eine elektronische Antragst...