Nr. 4142 VV RVG; §§ 473 Abs. 4 StPO, 465 Abs. 2 StPO

Leitsatz

Zur Kostenentscheidung bei Verringerung der Einziehung durch das Revisionsgericht.

BGH, Beschl. v. 6.10.2021 – 1 StR 311/20

I. Sachverhalt

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen i.H.v. 20.000,00 EUR sowie "sichergestellten Geldes" i.H.v. 5.635,00 EUR als Tatmittel angeordnet. Der BGH hat die Revision zu Schuld- und Rechtsfolgenausspruch nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Er hat aber das Urteil des LG im Ausspruch über die Einziehung von Tatmitteln i.H.v. 5.635,00 EUR und die Einziehung insoweit aufgehoben. Die weitergehende Revision hinsichtlich der Einziehung hat er als unbegründet verworfen. Nach der vom BGH getroffenen Kostenentscheidung hat der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch hat BGH die Gebühr für das Revisionsverfahren betreffend die Einziehung um ein Fünftel ermäßigt. Er hat zudem der Staatskasse ein Fünftel der im Revisionsverfahren entstandenen Auslagen und der insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt.

II. Billigkeitsentscheidung

Zur Begründung seiner Kostenentscheidung bezieht sich der BGH auf §§ 473 Abs. 4, 465 Abs. 2 StPO analog. In Anbetracht des teilweisen Erfolgs des Rechtsmittels mit Blick auf die Einziehungsentscheidung seien die für die Einziehung im Revisionsverfahren gem. Teil 3 Hauptabschnitt 4, Vorbem. 3.4 Abs. 1 S. 2 Abschnitt 4, Nr. 3440 GKG KV entstandene Gerichtsgebühr sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten, die ihm allein aufgrund der Nebenfolge der Einziehung (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) entstanden sind (Nr. 4142 VV), in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang der Staatskasse aufzuerlegen. Auszugehen sei von dem im strafprozessualen Kostenrecht geltenden Veranlassungsprinzip. Dort sei eine umfassende Abwägung unter Billigkeitsgesichtspunkten vorzunehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Zurechnung nicht auf einer rein kausalen Ursachenbestimmung, sondern auf einer wertenden Betrachtung beruhe (vgl. BVerfGK 8, 285, 294 m.w.N.). Bei der für die zu treffende Billigkeitsentscheidung vorzunehmenden wertenden Betrachtung komme auch dem Umstand Bedeutung zu, inwieweit die Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen noch adäquate Folge des sozialschädlichen Tuns des Angeklagten seien. Auch wenn der Strafprozess vom Prinzip der Kosteneinheit bestimmt werde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., 2022, § 465 Rn 3; je m.w.N.), gelte dieses – wie bereits die Regelungen in § 465 Abs. 2 und § 467 Abs. 2 bis 5 StPO zeigen – keineswegs uneingeschränkt. Die Aussonderung bestimmter Kosten und Auslagen ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen. Zu berücksichtigen sei bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung deshalb auch, dass im strafverfahrensrechtlichen Kostenrecht für die Einziehung und das Strafverfahren i.Ü. verschiedene Gebühren- und Vergütungssysteme nebeneinander bestehen, die nur bedingt in Beziehung zueinander zu setzen sind.

Für den BGH ist kein sachlicher Grund (Art. 3 Abs. 1 GG) dafür erkennbar, die für die Einziehung anfallenden Gebühren und (notwendigen) Auslagen, die nach der Konzeption der Kostengesetze (GKG nebst Anlage 1 und RVG nebst Anlage 1) ohne Weiteres ausscheidbar sind, im Falle eines Erfolgs der Revision hinsichtlich der Einziehungsentscheidung beim Angeklagten zu belassen, nur weil das Rechtsmittel i.Ü. ohne Erfolg bleibt oder die Gebühren und Auslagen für die Einziehung gegenüber den übrigen Verteidigergebühren nicht ins Gewicht fallen. Denn es würde der gesetzlichen Wertung des GKG und des RVG widersprechen, wenn der Angeklagte nur deshalb, weil sein Rechtsmittel in der Schuld- und Straffrage ganz oder überwiegend unbegründet war, oder weil die Gebühren für die Einziehung gegenüber den allgemeinen Verteidigergebühren nicht nennenswert ins Gewicht fallen, auch hinsichtlich der für den Verteidiger mit einer besonderen Gebühr vergüteten Einziehung die (volle) Kostenlast träfe, obwohl er in der Einziehungsentscheidung (teilweise) erfolgreich war. So käme es zu einer nicht von sachlichen Gründen getragenen Ungleichbehandlung, wenn in Fällen, in denen sowohl der Angeklagte als auch ein Einziehungsbeteiligter sich aus denselben Gründen erfolgreich mit der Revision gegen die gegen sie als Gesamtschuldner ausgesprochene Einziehung zur Wehr gesetzt haben, allein der mit seiner weitergehenden Revision erfolglose Angeklagte die besonderen Gebühren und notwendigen Auslagen für die Verteidigung gegen die drohende Einziehung zu tragen hätte, nicht aber der Einziehungsbeteiligte, der sich von vornherein – mit gleichem Erfolg – nur gegen die Einziehungsentscheidung gewehrt hat. Ebenso wenig wäre es von sachlichen Gründen getragen, den Angeklagten bei erfolgreicher Verteidigung gegen eine im Raum stehende Einziehung mit einer – auch nur geringen und gegenüber den übrigen (pauschalen) Verteidigergebühren völlig unbedeutenden – Gebühr für die Einziehung zu belasten, nur weil sein Rechtsmittel i.Ü. ...

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