Nach Auffassung des LG ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 408b StPO nicht auf das schriftliche Verfahren bis zur Einlegung des Einspruchs gegen den Strafbefehl beschränkt, sondern gilt bis zur Einlegung des Rechtsmittels gegen das auf den Einspruch hin ergangene amtsgerichtliche Urteil fort (OLG Celle StraFo 2011, 291; OLG Köln NStZ-RR 2010, 30; OLG Oldenburg StV 2018, 152; LR-Gössel, StPO, § 408b Rn 12, 13; KK-StPO-Maur, 8. Aufl., 2019, § 408b Rn 8; a.A. KG, Beschl. v. 29.5.2012 – 1 Ws 30/12; OLG Düsseldorf NStZ 2002, 390; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.9.2014 – 1 Ws 126/14). Der Wortlaut des § 408b StPO enthalte keine Beschränkung auf das schriftliche Strafbefehlsverfahren. Die besondere prozessuale Situation, die durch die Beiordnung nach § 408b StPO kompensiert werden solle, bestehe zudem in veränderter Form auch nach Erlass des Strafbefehls fort. Nach § 411 Abs. 2 S. 2 StPO gelten für das weitere Verfahren die Regeln des § 420 StPO. Im beschleunigten Verfahren würden diese erleichterten Regeln der Beweisaufnahme dadurch ausgeglichen, dass nach § 418 Abs. 4 StPO dem Angeklagten, der eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu erwarten hat, ein Verteidiger beizuordnen ist. Die Parallele spreche in systematischer Hinsicht für eine Geltung der Pflichtverteidigerbeiordnung nach § 408b StPO auch für das Hauptverfahren (OLG Celle StraFo 2011, 291 m.w.N.).

Wie sich aus § 143 Abs. 2 S. 1 StPO ergebe, kann die Beiordnung allerdings aufgehoben werden. Das sei vorliegend geschehen. Die Aufhebungsmöglichkeit stehe aber im Ermessen des Gerichts. Allerdings seien insoweit Vertrauensgrundsätze zu beachten. Sei die Frage der Notwendigkeit der Verteidigung in irgendeinem Verfahrensstadium positiv beantwortet worden, gebiete der Grundsatz des prozessualen Vertrauensschutzes grundsätzlich, hieran weiter festzuhalten (BeckOK StPO/Krawczyk, StPO § 143 Rn 7, 8 m.w.N.). Eine Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung komme dann in Betracht, wenn das Gericht die Bestellung in grob fehlerhafter Verkennung der Voraussetzungen des § 140 StPO vorgenommen habe oder sich die für die Bestellung maßgeblichen Umstände wesentlich geändert haben (BeckOK StPO/Krawczyk, a.a.O.). Zwar weiche hier das Urteil hinsichtlich rechtlicher Würdigung und Rechtsfolgen von dem ursprünglichen Strafbefehl erheblich ab, es lasse sich aber weder den Urteilsgründen noch dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmen, dass bereits zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Beschlusses eine solche wesentliche Änderung der Umstände vorgelegen habe. Der Übergang vom Strafbefehlsverfahren in das Hauptverfahren als solcher sei kein solcher Umstand.

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