1. Die Entscheidung ist zutreffend. Allerdings hätte das LG m.E. zur Begründung des "Fortbestehens" der im Ermittlungsverfahren erfolgten Pflichtverteidigerbestellung nicht auf die von ihm zitierte Rspr. zurückgreifen müssen. Die vom LG zur Stützung seiner Auffassung angeführten Entscheidungen sind zwar zutreffend, sie sind aber noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Neuregelungen im Recht der Pflichtverteidigung am 13.12.2019 ergangen. Die gesetzliche Neuregelung sieht nun aber in § 143 Abs. 1 StPO ausdrücklich vor, dass die Pflichtverteidigung bis zur Rechtskraft der im Verfahren ergehenden Entscheidung gilt. Eine Einschränkung macht die Regelung nicht, sodass sie für alle Beiordnungsfälle gilt, also auch für den nach § 408b StPO. Auch in dem Fall endet eine Pflichtverteidigerbeiordnung nicht per se mit dem Einlegen des Einspruchs (so auch LG Oldenburg, Beschl. v, 26.10.2021 – 4 Qs 424/21, VRR 11/2022, 19 = AGS 2022, 43).
2. Das bedeutet: Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet zweifellos, wenn der Strafbefehl in Rechtskraft erwächst. Legt der Angeschuldigte hingegen Einspruch ein, ist zu differenzieren: Ist eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten, hat die Bestellung schon nach § 140 Abs. 2 StPO fortzudauern. Ist hingegen, wie hier, eine darunterliegende (Freiheits-)Strafe zu erwarten, so kann die Bestellung im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO aufgehoben werden (vgl. Meyer/Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., 2021, § 408b Rn 10). § 143 Abs. 2 S. 1 StPO ist ebenfalls im Verfahren nach § 408b StPO anwendbar. Eine besondere Regelung für die Beendigung der Beiordnung nach § 408b StPO existiert nicht, es bleibe daher bei der allgemeinen Regelung. Auch insoweit hat das LG Karlsruhe zutreffend entschieden (vgl. auch LG Oldenburg, a.a.O.).
3. Hinzuweisen ist dann auch nochmals auf die gebührenrechtlichen Auswirkungen. Geht man nämlich davon aus, dass die Bestellung des Pflichtverteidigers automatisch mit der Einlegung des Einspruchs endet, kann er als gesetzliche Gebühren nur die Grundgebühr Nr. 4100 VV, ggfs. die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV und die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug Nr. 4106 VV – je nach Fallgestaltung – geltend machen. Endet die Pflichtverteidigerbestellung hingegen nicht automatisch, kann der Rechtsanwalt ggfs. auch die Terminsgebühr Nr. 4108 VV verlangen, wenn es zur Hauptverhandlung kommt und der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger an ihr teilnimmt. Wird der Einspruch – ggfs. nach Beratung mit dem Mandanten zurückgenommen – kann die zusätzliche Verfahrensgebühr Anm. 1 S. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV angefallen sein (zu den Gebühren im Strafbefehlsverfahren Burhoff, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 2047 ff. m.w.N.).
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 8/2022, S. 366 - 367