Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob die Rechtswahrnehmung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens erfolgen soll, sind nach allg. Anschauung zwei Überlegungsansätze:
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Zwischen den beiden Komplexen "außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens" und "innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens" darf es keine Lücke geben. |
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Da der Rechtsuchende derjenige ist, der die rechtliche Unterstützung benötigt, kommt es bei Beurteilung des Komplexes, in dem er sich befindet, grds. auf seinen Standpunkt an. |
Ausgehend von diesen beiden Überlegungen haben sich – nicht aus dem Gesetz ersichtlich, aber in der Rspr. und Lit. entwickelt – in jüngerer Judiz Entwicklungen verfestigt, die eine Beratungshilfe "außerhalb" eines gerichtlichen Verfahrens aber dann (noch) sehen wollen, wenn sich der Rechtsuchende "passiv" verhält, mit seiner Beratung und ggfs. Vertretung gerade ein gerichtliches Verfahren abwenden will.
a) Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels – ohne vorherige anwaltliche Vertretung
Der "Klassiker" dieser Vorstellung ist z.B. die Beratungshilfe zur Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels.
Beispiel 1
Ein (belastendes) Urteil I. Instanz ergeht. Der Beklagte war nicht anwaltlich vertreten. Er sucht nun im Wege der Beratungshilfe einen Anwalt auf, der ihn über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels belehrt.
Im Idealfall kann – natürlich vorausgesetzt die Verurteilung war stimmig – durch eine winzige Investition der Beratungshilfe – ggfs. ein teures und sinnloses Berufungsverfahren vermieden werden. Ganz i.S.d. BerHG.
Aus Sicht des Rechtsuchenden befindet er sich "zwischen" den Instanzen (wieder) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens. Die I. Instanz ist abgeschlossen, gegenwärtig liegt keine neue Instanz vor.
b) Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels – mit vorheriger anwaltlicher Vertretung
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn der Rechtssuchende in I. Instanz bereits anwaltlich vertreten war. Hier "scheiden sich die Geister." Ob für die Prüfung der Erfolgsaussicht einer Berufung oder eines sonstigen weiteren Vorgehens Beratungshilfe hier noch bewilligt werden kann, ist zumindest zur Diskussion zu stellen.
Beispiel 2
Rechtsanwalt R vertritt den Beklagten in I. Instanz. Ein (belastendes) Urteil I. Instanz ergeht. Der Verurteilte wendet sich an seinen Rechtsanwalt, um wieder die Erfolgsaussichten einer Berufung zu prüfen.
aa) Erste Möglichkeit
Das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug sind bspw. jeweils eine Angelegenheit (§ 17 Nr. 1 RVG). Folglich könnte man sich also auf den Standpunkt stellen:
Es sind zwei Angelegenheiten. In dieser Sache wurde bislang keine Beratunghilfe bewilligt. Der Verurteilte stellt sich zwischen den Instanzen "passiv" und damit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.
Hierbei müsste man zudem die Thematik ausklammern, ob der Begriff der "Angelegenheit" nach § 17 RVG auch für das Beratungshilfe-Verfahren Anwendung finden soll, oder – wie allgemein angenommen – bei der Beratungshilfe viel weiter zu fassen ist.
bb) Zweite Möglichkeit
Es liegt (lag) ein gerichtliches Verfahren vor. Beratungshilfe kann mit der strengen gesetzlichen Formulierungsanwendung ("außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens") nicht mehr bewilligt werden.
cc) Dritte Möglichkeit
War der Rechtsuchende bereits anwaltlich (oder durch eine sonstige Beratungsperson) vertreten und soll diese Vertretung personenidentisch beibehalten bleiben, kann die Beratung über die Frage der Erfolgsaussicht einer möglichen Berufung auch als Nebenverpflichtung aus dem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag verstanden und subsumiert werden, sodass insoweit die Prüfung einer Erfolgsaussicht auch hier noch von den Gebühren des vorangegangenen Verfahrensabschnittes mit abgedeckt ist, daher in dieser speziellen Konstellation zur Prüfung der Erfolgsaussicht keine Beratungshilfe mehr bewilligt werden kann.
c) Sozialrecht: Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels – mit vorheriger anwaltlicher Vertretung
Ähnliche Konstellationen kann es geben, wenn ein Rechtsanwalt im Sozialrecht "unterwegs" ist, dort Beratungshilfe bewilligt worden ist und es nun um die Frage einer weitergehenden Klage geht.
Sofern für die Durchführung des sozialrechtlichen Widerspruchsverfahrens bereits Beratungshilfe gewährt worden ist, ist es ebenfalls diskussionswürdig, ob die nachfolgende Prüfung der Erfolgsaussicht einer möglichen Klage im Falle einer negativen Bescheidung durch die Widerspruchsbehörde eine weitere, verschiedene Angelegenheit darstellt.
Gem. § 17 Nr. 1a RVG stellt das der Nachprüfung eines Verwaltungsakts dienenden weitere Verwaltungsverfahren (= Widerspruchsverfahren) und das nachfolgende gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten dar. Unter Verwaltungsverfahren sind in diesem Sinne auch Sozialsachen zu subsumieren. Die Besprechung des Widerspruchsbescheides als solches und die Beratung, ob eine Klage zulässig ist, zählt noch zum Widerspruchsverfahren, nicht hingegen die Prüfung der Erfolgsaussicht der möglichen Klageerhebung, da auch zwischen den gerichtlichen Instanzen Beratungshilfe gesondert für die Prüfung der Einlegung eines Rechtsmittels gewährt werden kann.
Als Argumentationshilfe für d...