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Die Frage, ob Beratungshilfe bewilligt werden kann oder nicht, regelt § 1 BerHG. Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können, keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist, die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint. Das Gesetz regelt also folglich eine Abgrenzung der Anwendbarkeit des BerHG dann, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren in Gang ist. Die Abgrenzung zwischen "innergerichtlich" und "außergerichtlich" fällt dabei grds. kaum schwer. Das OLG Dresden[1] hat jedoch mit Entscheidung vom 6.5.2022 eine Beschlussfassung getroffen, die alles auf den Kopf zu stellen scheint. Die Entscheidung soll näher betrachtet werden.

I. Allgemeines

Die Beratungshilfe basiert auf dem Beratungshilfegesetz (BerHG) vom 18.6.1980.[2] Es ist ein Ausfluss aus dem Prinzip des sozialen Rechtstaates. Das BerHG wurde eingeführt, um zu anderen Hilfsmöglichkeiten hinzuzutreten und vor allem dort wirksam zu werden, wo anderweitige Hilfe ganz fehlt. Es soll die Chancengleichheit bei der Rechtsdurchsetzung auch für finanziell Minderbemittelte und damit den Gleichheitsgrundsatz nach dem Art. 3 GG wahren. Auch ein minderbemittelter Personenkreis sollte sich seiner Rechte bewusst sein und diese berechtigten Interessen auch unabhängig seiner finanziellen Mittel durchsetzen können und nicht an finanziellen Nöten, Schwellenangst oder aufgrund von Bürokratie scheitern.

Weitere Ziele des BerHG sind selbstverständlich auch, durch diese finanzielle Unterstützung Rechtsprobleme bereits im Vorfeld zu klären, um dadurch oft teurere und langwierige gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Ein zusätzliches Ziel des Gesetzgebungsverfahrens war es, erkennbar gewordene Lücken im Rechtsberatungssystem für die finanziell minderbemittelten Bürger zu schließen.

Das BerHG stellt damit "klare" Regelungen auf, unter denen folglich eine Bewilligung überhaupt in Betracht zu ziehen ist oder nicht. Dabei hat das BVerfG[3] klargestellt, dass es tragfähig ist, die Bewilligung vom Vorliegen gewisser Voraussetzungen abhängig zu machen. Eine dieser Voraussetzungen ist es, dass kein gerichtliches Verfahren vorliegt bzw. das Verfahren sich "außerhalb" eines gerichtlichen Verfahrens bewegt.

[2] BGBl 1980 I, 689.
[3] BVerfG, stattgebender Kammerbeschl. v. 11.5.2009 – 1 BvR 1517/08.

1. Abgrenzung

Beratungshilfe kann nur außerhalb gerichtlicher Verfahren gewährt werden.[4] Im Gegensatz zur Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe, die nur zu Beginn bzw. während gerichtlicher Verfahren für die innerhalb des Verfahrens beabsichtigte Rechtsverfolgung bewilligt werden kann, soll die Beratungshilfe den außergerichtlichen Bereich abdecken. Sie stellt somit das Gegenstück zur Prozess-/Verfahrenskostenhilfe dar.[5] Die Beratungshilfe muss außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens stattfinden.

"Außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens" gleichzusetzen mit "außerhalb während eines gerichtlichen Verfahrens" geht zu weit. Hierfür findet sich im Gesetz selbst keine Grundlage. Ein nicht unbeachtlicher Teil der Rspr. neigt jedoch dazu, § 1 BerHG dahingehend auszulegen und Beratungshilfe gerade dann zu bewilligen, wenn der Antragsteller versucht, sich am Rechtstreit nicht zu beteiligen. Begründet wird dies u.A. damit, dass so ggfs. der Fortgang eines (teureren) Rechtstreites vermieden werden kann. Als Beispiel darf hier "Beratungshilfe zur Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels" oder "Beratungshilfe zwischen den Instanzen" genannt sein.[6]

Nach Mümmler[7] sei die Bewilligung von Beratungshilfe somit z.B. nur dann berechtigt, wenn sich der Rechtsuchende über die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung anwaltlich beraten lässt und der Rechtsanwalt ihm den Rat erteilt, zunächst einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen, denn hierbei werde der Rechtsanwalt außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens tätig.[8] Die Berechtigung zur Beratungshilfe ende aber dort, wo die Prozesskostenhilfe beginnt oder beginnen könnte. Kurzum: "logischerweise" gehen damit Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe und Beratungshilfe "Hand-in-Hand" und es soll nach dem Willen des Gesetzgebers daher keine Lücken geben. Zudem soll eine "rechtzeitige" Beratung im Rahmen der Beratungshilfe auch helfen, ein teures und langwieriges gerichtliches Verfahren zu vermeiden (z.B. "Beratungshilfe zwischen den Instanzen") und somit die oben aufgestellten Prinzipien zu verwirklichen helfen.

Dass dieser Plan nicht immer aufgeht, zeigt aber die Bestellung eines Pflichtverteidigers. Für den Beschuldigten ist Beratungshilfe nur bis zum Einreichen der Anklage bei Gericht möglich (ab hier beginnt das geri...

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