§§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG; §§ 9, 258 ZPO
Leitsatz
Der Streitwert für eine Klage auf Zahlung künftiger WEG-Hausgelder (§ 258 ZPO) richtet sich nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag, wenn der zugrundeliegende Wirtschaftsplan (wie üblich) eine Fortgeltungsklausel enthält.
LG Karlsruhe, Beschl. v. 8.7.2022 – 11 T 42/22
I. Sacherhalt
Die Klägerin hatte in einem WEG-Verfahren mit ihrem Klageantrag zu 2) beantragt, den Beklagten bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans zur Zahlung künftiger Hausgelder i.H.v. monatlich 294,00 EUR zu verurteilen. Das AG hat den Streitwert dieses Antrags mit dem Jahreswert, also mit 12 x 294,00 EUR = 3.528,00 EUR festgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers hatte Erfolg und führte zur Heraufsetzung des Streitwerts.
II. 3,5facher Jahresbetrag
Der Streitwert für den Klageantrag zu 2) auf Zahlung künftiger Hausgelder richtet sich gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag. Im zugrunde liegenden Fall sind dies 294,00 EUR x 12 x 3,5 = 12.348,00 EUR.
III. Zukünftige Hausgelder sind wiederkehrende Leistungen
Es handelt sich beim Klageantrag zu 2) um eine Klage auf zukünftige Zahlung wiederkehrender Leistungen gem. § 258 ZPO. Wird das Hausgeld auf der Grundlage des Wirtschaftsplans als monatliche Zahlung geschuldet, so handelt es sich um eine wiederkehrende Leistung. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Wirtschaftsplan grds. nur für ein Jahr gilt, denn der Beschluss eines neuen Wirtschaftsplanes für das Folgejahr ist nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwarten. Daher kann nach Maßgabe des § 258 ZPO auch zukünftiges laufendes Hausgeld eingeklagt werden. Dabei entspricht es – so wie hier geschehen – auch richtiger anwaltlicher Praxis, den Vorbehalt in den Klageantrag aufzunehmen, dass die Leistung "bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplanes" verlangt wird. Denn wie üblich und empfehlenswert enthält der hier zugrunde liegende Wirtschaftsplan eine Fortgeltungsklausel: "Der beschlossene Wirtschaftsplan bleibt so lange in Kraft, bis ein neuer beschlossen wird". Lediglich bei fehlender Fortgeltungsklausel müsste das Ende der Zahlungspflicht mit Auslaufen des Wirtschaftsplanes in den Antrag mit aufgenommen werden; dann wäre für den Streitwert tatsächlich nur der (vom AG angesetzte) Jahresbetrag maßgeblich.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. 3,5facher Jahresbetrag für die Zukunft
Die Entscheidung ist zutreffend. Bei wiederkehrenden Leistungen kann nach § 258 ZPO auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden. Der Streitwert richtet sich in diesen Fällen für die zukünftigen Beträge gem. § 48 Abs. 1 S. GKG i.V.m § 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag, es sei denn, es wird Zahlung für einen geringeren Zeitraum verlangt.
2. Fällige Beträge
Hinzu kommen allerdings die bei Einreichung der Klage bereits fälligen Betrage (§ 48 Abs. 3 GKG).
Aus dem Sachverhalt ergibt sich insoweit leider nicht, ob auch fällige Beträge eingeklagt worden waren.
Beispiel
Am 15.8.2022 erhebt die WEG-Gemeinschaft Klage auf Zahlung laufender Wohngeldzahlungen i.H.v. 300,00 EUR monatlich, und zwar beginnend mit dem Monat April 2022:
a) bis zur Beendigung des Wirtschaftsjahres im März 2023,
b) bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplanes.
Im Fall a) ergibt sich folgende Berechnung:
fällige Beträge: 5 x 300,00 EUR |
1.500,00 EUR |
(April 2022 bis August 2022) |
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zukünftige Beträge: 7 x 300,00 EUR |
2.100,00 EUR |
(August 2022 bis März 2023) |
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Gesamt |
3.600,00 EUR |
Im Fall b) ergibt sich folgende Berechnung:
fällige Beträge: 5 x 300,00 EUR |
1.500,00 EUR |
(April 2022 bis August 2022) |
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zukünftige Beträge: 42 x 300,00 EUR |
12.600,00 EUR |
(ab September 2022) |
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Gesamt |
14.100,00 EUR |
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 8/2022, S. 377 - 378