1. Ermittlung des Streitwertes
Die Entscheidung des BAG entspricht der Sache nach der wohl überwiegenden Auffassung der LAG. Ebenso hatte das BAG bereits in seinem Beschl. v. 16.1.1968 (2 AZR 156/66 – AP Nr. 17 zu § 12 ArbGG 1953) entschieden. Dort hatte das BAG jedoch über einen Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für den vor dem BAG geschlossenen Vergleich zu befinden. Insoweit ist es löblich, dass das BAG sich erneut sachlich zu der Streitwertbemessung geäußert hat.
2. Unzulässigkeit der "Rechtsbeschwerde"
Allerdings war die vom LAG zugelassene und vom BAG als statthaft und zulässig angesehene Rechtsbeschwerde der Beklagten unzulässig. Die gleichwohl erfolgte Sachentscheidung des BAG ist auf eine Verkettung verschiedener Fehler seitens der Gerichte zurückzuführen.
Die Festsetzung des Streitwertes durch das LAG Berlin-Brandenburg im Urt. v. 3.6.2021 erfolgte gem. § 63 Abs. 2 GKG. Durch Beschl. v. 9.9.2021 hat das LAG seine Wertfestsetzung gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG geändert.
Gegen Entscheidungen über den Streitwert ist eine Rechtsbeschwerde nicht vorgesehen, da eine solche im GKG gar nicht geregelt ist. Die Rechtsbehelfe im Streitwertfestsetzungsverfahren sind vielmehr in § 68 GKG geregelt. Gegen den Beschluss, durch den der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Streitwert festgesetzt worden ist, findet unter den in § 68 Abs. 1 GKG geregelten Voraussetzungen die Beschwerde statt. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Nach der Regelung in § 66 Abs. 3 S. 3 GKG, auf die § 68 Abs. 2 S. 7 GKG verweist, findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes, wozu auch das BAG gehrt, nicht statt.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat also in seinem Beschl. v. 9.9.2021 ein Rechtsmittel, nämlich die Rechtsbeschwerde, zugelassen, das gesetzlich gegen seine Entscheidung gar nicht gegeben war. Das BAG ist auf diese Zulassung der Rechtsbeschwerde hereingefallen und hat diese als gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO als statthaft angesehen, obwohl auch diese ZPO-Regelung bei Beschwerden gegen die Streitwertfestsetzung nicht anwendbar ist. Beim BAG müssen in dieser Sache sämtliche "Sicherungsmaßnahmen" versagt haben. Zum einen muss der für die Senatsgeschäftsstelle zuständige Rechtspfleger, dem die Prüfung der form- und fristgerechten Einlegung der Rechtsmittel obliegt, selig geschlafen haben. Der dem Neunten Senat des BAG zugewiesene wiss. Mitarbeiter, wenn er in dieser Sache überhaupt hinzugezogen wurde, hatte vom Kostenrecht offensichtlich auch keine Ahnung. Und schließlich waren sowohl der Vorsitzende des Neunten Senats als auch die erste Beisitzerin und der zweite Beisitzer des Senats ihrer Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der "Rechtsbeschwerde" so sicher, dass sie noch nicht einmal ins – richtige – Gesetz, nämlich in das GKG, geschaut haben.
Die Rechtsunkenntnis des BAG im Streitwertrecht setzt sich auch in den Nebenentscheidungen fort. So hat das BAG die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des LAG Berlin-Brandenburg "auf ihre Kosten" zurückgewiesen, obwohl Streitwertbeschwerden gem. § 68 Abs. 3 S. 1 GKG gebührenfrei sind und die Kostenerstattung gem. § 68 Abs. 3 S. 2 GKG ausgeschlossen ist.
Die höchstrichterliche Rspr. setzt an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Fällen einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung recht hohe Anforderungen. Danach kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht, wenn die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat (s. BGH NJW 2012, 2443). Auf eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung kann sich der Rechtsanwalt jedoch dann nicht berufen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und sie deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (s. BGH NJW 2017, 1112; BGH NJW-RR 2012, 1025). Hätte ein Rechtsanwalt in einer einem Streitwertfestsetzungsbeschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung, in der auf die Zulässigkeit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verwiesen worden ist, vertraut, hätte man ihm vorgehalten, die Belehrung erwecke schon nicht den Anschein der Richtigkeit. Bei einem Richter wirkt sich die fehlende Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften hingegen nicht nachteilig aus. Im Gegenteil hat die Unkenntnis der Richter beim Neunten Senat des BAG dazu geführt, dass die Entscheidungssammlungen um die erste Entscheidung des BAG erweitert wurde, die in der Sache über eine Streitwertbeschwerde entschieden hat.
3. Exkurs: Lustiges Wechselspiel beim BGH
Die Kollegen des Neunten Senats des BAG mögen sich aber nicht grämen, hat es die Richter des V. Zivilsenats des BGH vor einigen Jahren noch viel schlimmer getroffen.
Der für Rechtsmittel WEG-Sachen, die seinerzeit noch dem FGG-Verfahren unterlagen, zuständige V...