§ 11 RVG

Leitsatz

Erhebt der im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG auf Zahlung der Anwaltsvergütung in Anspruch genommene Mandant den Einwand, der den Antrag stellende Rechtsanwalt habe ihn schlecht vertreten, sodass er das Mandat habe kündigen und einen neuen Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten stellen müssen, führt dies zur Ablehnung der Festsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG.

LAG Kiel, Beschl. v. 29.6.2022 – 1 Ta 50/22

I. Sachverhalt

Die Beklagte hatte nach 40-jährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu der Klägerin die Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses erklärt, die auf massive Pflichtverletzungen gestützt war. Hieraufhin beauftragte die Klägerin mit ihrer Vertretung den Rechtsanwalt X, der am 13.12.2021 eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Lübeck einreichte. Den vom Arbeitsgericht angesetzten Gütetermin hat die Klägerin zusammen mit Rechtsanwalt X wahrgenommen. Mit Schriftsatz vom 7.2.2022 hat Rechtsanwalt X das Mandat niedergelegt, nachdem die Klägerin die Mandatsbeziehung ihm gegenüber beendet hatte.

Hieraufhin hat Rechtsanwalt X die Festsetzung seiner Vergütung gegen die Klägerin gem. § 11 Abs. 1 RVG beantragt. Der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts Lübeck hat den Vergütungsfestsetzungsbeschluss am 30.3.2022 antragsgemäß erlassen.

Mit ihrer hiergegen eingelegten rechtzeitigen sofortigen Beschwerde hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stünden aufrechenbare Gegenansprüche gegenüber dem Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts X zu. Sie habe das Vertrauen in den Rechtsanwalt verloren und das Mandatsverhältnis mit diesem beenden müssen. Mit der notwendigen Beauftragung eines neuen Prozessbevollmächtigten seien ihr Anwaltskosten entstanden, die sie als Schaden gegenüber dem Rechtsanwalt X geltend mache. Zur Kündigung des Mandatsverhältnisses hat die Klägerin vorgebracht, sie habe mehrfach versucht, Rechtsanwalt X zu erreichen, um ihm für das Verfahren wichtige Informationen mitzuteilen und das weitere Vorgehen abzustimmen. Auch auf ein entsprechendes Anschreiben mit der Bitte um Abstimmung habe Rechtsanwalt X nicht reagiert. Am 14.1.2022 habe sie im Internet ein Foto des Rechtsanwalts X mit dem Seniorchef der Beklagten gefunden, das beide nebeneinander mit Daumen nach oben abgebildet habe. Hierdurch sei sie – die Klägerin – verunsichert gewesen und habe Rechtsanwalt X um Aufklärung gebeten, ob ein Interessenkonflikt bestehe. Auf den Wunsch einer persönlichen Besprechung sei Rechtsanwalt X jedoch nicht eingegangen. Auf eine per E-Mail mitgeteilte Bitte um ein persönliches Gespräch in der ersten oder zweiten Februarwoche habe Rechtsanwalt X nicht reagiert. Nach alledem habe sie – die Klägerin – das Vertrauen in den Rechtsanwalt X vollständig verloren.

Der hierzu gehörte Rechtsanwalt X ist den Ausführungen der Klägerin im Einzelnen entgegengetreten. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, er habe den Seniorchef der Beklagten nie vertreten und i.Ü. die Klägerin über den Kontakt zu ihm aufgeklärt.

Das Arbeitsgericht Lübeck hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin mit der Begründung nicht abgeholfen, zu berücksichtigende Einwendungen oder Einreden der Klägerin lägen nicht vor.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin hatte beim LAG Kiel Erfolg.

II. Einwand der Schlechtvertretung im Vergütungsfestsetzungsverfahren

1. Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Festsetzung der Vergütung abzulehnen, soweit der Antragsgegner – das war hier die Klägerin – Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Das LAG Kiel hat darauf hingewiesen, dass das mit dem Vergütungsfestsetzungsverfahren befasste Gericht nicht zu prüfen hat, ob entsprechende Einwendungen begründet sind. Dies obliege der Entscheidung des Prozessgerichts – etwa in dem von dem Rechtsanwalt eingeleiteten Honorarprozess –, wenn ein solcher Rechtsstreit überhaupt anhängig gemacht werde. Für die Ablehnung der Vergütungsfestsetzung genügt es nach den weiteren Ausführungen des LAG, dass der Antragsgegner gebührenrechtliche (gemeint: nicht gebührenrechtliche) Einwendungen oder Einreden "erhebt", also geltend mache. Hierfür könne weder eine nähere Substantiierung verlangt werden, noch sei eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen.

Mindestanforderung für die Berücksichtigung außergebührenrechtlicher Einwendungen ist es nach den weiteren Ausführungen des LAG, dass die Einrede oder Einwendung erkennen lässt, dass der Antragsgegner sie aus konkreten, tatsächlichen Umständen herleite, die ihren Grund nicht im Gebührenrecht hätten. Eine vollkommen unsubstantiierte und damit unbeachtliche Einwendung sei etwa dann gegeben, wenn lediglich allgemein vorgetragen werde, man fühle sich schlecht vertreten, es werde Schlechterfüllung geltend gemacht oder es werde die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen geltend gemacht (s. LAG Köln AGS 2018, 343 = RVGreport 2018, 210 [Hansens]).

2. Die Umstände im Fall des LAG Kiel

In Anwendung dieser Grundsätze hätte der Rechtspfleger des ArbG Lübeck nach Auffassung des LAG Kiel die Festsetzung der Vergütung gem. § 11 Abs. 5 RVG ablehnen müssen. Die von der Kl...

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