§§ 63, 64 Abs. 1 InsO; § 8 Abs. 1 InsVV
Leitsatz
- Die Verwirkung eines Vergütungsanspruches umfasst auch bereits entnommene Vorschüsse.
- Eine Entreicherung kann als Einrede nicht angeführt werden.
OLG Schleswig, Urt. v. 29.6.2022 – 9 U 1/22
I. Sachverhalt
Mit Beschluss des AG (im Folgenden: Insolvenzgericht) in 2000 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf Antrag v. 6.4.2006 setzte das Insolvenzgericht für die Tätigkeit des Beklagten einen Vorschuss auf seine Vergütung i.H.v. 43.012,17 EUR fest und gestattete dem Beklagten die Entnahme aus der Insolvenzmasse. Dieser entnahm den Vorschuss auf die Vergütung aus der Masse. Mit Beschl. v. 10.2.2010 entließ das Insolvenzgericht den Beklagten als Insolvenzverwalter vor dem Hintergrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue und der Beihilfe zur Untreue zu Lasten verschiedener Insolvenzmassen aus wichtigem Grund und bestellte den Kläger zum neuen Insolvenzverwalter. Am 7.2.2013 stellte der Beklagte und bisherige Verwalter einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung und Auslagen für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter (im Folgenden: Festsetzungsantrag). Diesen Antrag wies das Insolvenzgericht nach zwischenzeitlicher rechtskräftiger Verurteilung des Beklagten durch das LG Hildesheim wegen Untreue in 33 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Vergütungsanspruch aufgrund zum Nachteil der Masse begangener strafbarer Handlungen verwirkt sei. Der Kläger begehrt als aktueller Insolvenzverwalter über das Vermögen der X GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) von dem Beklagten als früherem, aus wichtigem Grund abberufenen Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin die Rückzahlung eines aus der Masse entnommenen Vorschusses auf die Insolvenzverwaltervergütung. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe durch sein Verhalten seinen Anspruch auf Vergütung verwirkt und deshalb den aus der Masse entnommenen Vorschuss gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB zurück zu gewähren. Auf eine Entreicherung könne sich der Beklagte nicht berufen. Zudem schulde der Beklagte den geltend gemachten Betrag als Schadensersatz. Der bisherige Verwalter lehnte eine Erstattung ab. Zur Begründung führte er an, dass einerseits der Bewilligungsbeschluss mit dem ein Vorschuss festgesetzt wurde, nicht aufgehoben und damit noch in der Welt sei. Zudem sei er "entreichert." Das LG hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Beklagte seinen Anspruch auf Vergütung durch sein rechtskräftig gerichtlich aufgearbeitetes Verhalten verwirkt. Die Entnahme des Vorschusses im Jahr 2006 sei somit von vornherein ohne Rechtsgrund erfolgt, sodass ab dem Zeitpunkt der Entnahme ein Anspruch auf Rückzahlung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB bestanden habe. Dieser sei jedoch verjährt und somit nicht mehr durchsetzbar. Gleiches gelte für etwaige Ansprüche aus § 60 InsO oder § 280 bzw. § 823 BGB. Das OLG Schleswig gab dann der Berufung aber statt und sah eine Verpflichtung zur Rückerstattung.
II. Anspruch nach § 812 BGB
Das OLG war der klaren Ansicht, dass ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 BGB auf Herausgabe des aus der Insolvenzmasse entnommenen Vorschusses auf die Insolvenzverwaltervergütung bestehe. Mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts, die Vergütung abzuerkennen, sei auch der Vorschuss umfasst. Ein Rechtsgrund für die Vorschussgewährung sei damit entfallen.
III. Entstehen und Fälligkeit der Verwaltervergütung
Nach § 63 InsO hat der Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Vergütung und auf Erstattung seiner Auslagen. Als Tätigkeitsvergütung entsteht der Anspruch mit der tatsächlichen Arbeitsleistung im Insolvenzverfahren bzw. hinsichtlich der Auslagen mit deren Anfall und nicht erst mit der Festsetzung gem. § 64 Abs. 1 InsO i.V.m. § 8 Abs. 1 InsVV. Er wird fällig mit der Erledigung der vergütungspflichtigen Tätigkeit (MüKo InsO-Stephan, 4. Aufl., 2019, § 63 Rn 23 f.).
IV. Wesen und Zielsetzung des Vorschusses der Festsetzung
Das OLG verlautbarte, dass der Anspruch auf Insolvenzverwaltervergütung nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützt sei. Dabei sei der Anspruch auf eine unverzügliche Erfüllung gerichtet. Dies folgt dem Argument, dass ein Insolvenzverwalter seine Vergütung erst am Ende fällig sehe, grds. aber nicht unerhebliche Kosten vorfinanzieren müsse. Zudem ist allgemein anerkannt, dass der Anspruch auf Verwaltervergütung nicht verzinslich ist. Der durch seine Tätigkeit für eine typischerweise vermögensarme Insolvenzmasse vorleistende Verwalter geht in besonderem Maße das Risiko ein, hinsichtlich seiner Vergütung leer auszugehen. Gerade die rechtzeitige Erlangung von Vorschüssen soll sein Ausfallrisiko ausschalten oder wenigstens verringern. Auch wenn der Anspruch des Insolvenzverwalters auf die endgültige Vergütung erst mit der Beendigung des gesamten Insolvenzverfahrens fällig wird, entsteht zu seinen Gunsten dennoch alsbald ein Anspruch auf pflichtgemäße Entscheidung über die Gewährung eines angemessenen Vergütungsvorschusses.
V. Befriedigungswirkung
Mit der Festsetzung und der Entnahme d...