a) Begriff der strafprozessähnlichen Verfahren
Das RVG definiert den Begriff des "strafprozessähnlichen Verfahrens" nicht. § 37 Abs. 1 RVG enthält aber eine Aufzählung der strafprozessähnlichen Verfahren. Dabei handelt es sich um Verfahren, für welche allgemein oder für einzelne Abschnitte, wie z.B. nach § 28 Abs. 1 BVerfGG für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die Vorschriften der StPO anzuwenden sind. Danach handelt es sich um dem Strafverfahren insoweit ähnliche Verfahren, als von dem Gericht über die angeklagte Person oder Personengruppe wegen verfassungswidrigen Verhaltens Rechtsnachteile verhängt werden sollen.
Im Einzelnen werden folgende Verfahren genannt:
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Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen (§ 13 Nr. 1 BVerfGG), |
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Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (§ 13 Nr. 2 BVerfGG), |
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Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter (§ 13 Nr. 4 und 9 BVerfGG) und |
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Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden. |
Aus § 37 Abs. 1 Nr. 4 RVG folgt, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Davon ist bewusst abgesehen worden, um eine Möglichkeit zu haben, die Gebühren in ähnlichen Verfahren vor den Verfassungsgerichten, wenn solche, z.B. durch Landesrecht, neu geschaffen werden, ohne Änderung des RVG in gleicher Weise zu behandeln. Als ähnliches Verfahren kommt z.B. das Verfahren auf Erzwingung der Strafverfolgung wegen eines Verfassungsbruchs oder eines auf Verfassungsbruch gerichteten Unternehmens in Betracht (vgl. § 38 HessG über den Staatsgerichtshof) oder das Verfahren gegen ein Mitglied des Rechnungshofes (§ 14 Nr. 8 Gesetz über das Hamburgische Verfassungsgericht) in Betracht.
b) Abrechnungstatbestände
§ 37 Abs. 1 RVG bestimmt für die strafprozessähnlichen Verfahren die sinngemäße Anwendung der Vorschriften für die Revision in Strafsachen in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV. Das bedeutet, dass nicht nur auch die Vorbem. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV Anwendung findet und daher durch die anfallenden Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts abgegolten wird, sondern ggf. auch die Vorbem. 4 Abs. 5 VV anzuwenden ist.
Entstehen können folgende Gebühren: Der Rechtsanwalt erhält eine Grundgebühr Nr. 4100 VV für die mit der Einarbeitung in das Verfahren entstandenen besonderen Tätigkeiten. Er erhält daneben die Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV. Ggf. entsteht, wenn der Rechtsanwalt an einem gerichtlichen Termin teilgenommen hat, die Terminsgebühr Nr. 4132 VV.
Die Vorverfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV entsteht nicht. Bei den Verfahren nach §§ 37, 45, 58 Abs. 1, 54 BVerfGG handelt es sich nicht um Vorverfahren i.S.d. Nr. 4104 VV, sondern um gerichtliche Zwischenverfahren, die nach Anhängigkeit beim BVerfG durchgeführt werden.
Wenn sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet, entstehen die Gebühren gem. Vorbem. 4 Abs. 4 VV mit Haftzuschlag.
Für die Gebührenhöhe gilt: Der Wahlanwalt erhält seine Gebühren entsprechend den jeweiligen Gebührenrahmen. Bei Vertretung mehrerer Personen gilt ggf. Nr. 1008 VV. Wird der Rechtsanwalt dem Auftraggeber beigeordnet, erhält er die o.a. Gebühren als gesetzliche Gebühren. Ggf. entstehen die Längenzuschläge nach Nrn. 4134 bzw. 4135 VV.