§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB; § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO
Leitsatz
Eine Verzinsung eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs für verauslagte Gerichtskostenvorschüsse gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, soweit dieser materiell-rechtliche Erstattungsanspruch wegen des Vorrangs des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht durchgesetzt werden kann.
BGH, Urt. v. 26.4.2023 – VIII ZR 125/21
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte gegen den Beklagten mit seiner vor dem AG Münster erhobenen Klage verschiedene Zahlungs- und Feststellungsansprüche aus dem Mietverhältnis der Parteien geltend gemacht. U.a. hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, auf die von dem Kläger verauslagten Gerichtskosten i.H.v. 32,00 EUR ab dem 2.6.2017, auf weitere 73,00 EUR ab dem 18.12.2017 und auf weitere 54,00 EUR ab dem 1.8.2018 an den Kläger Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen. Diesen Antrag hat der Kläger damit begründet, er habe zu den angegebenen Zeiten den jeweils erwähnten Gerichtskostenvorschuss an die Justizkasse gezahlt. Mit Telefax vom 26.7.2018 habe er den Beklagten aufgefordert, ihm die gezahlten Gerichtskostenvorschüsse i.H.v. insgesamt 159,00 EUR bis zum 1.8.2018 zu erstatten. Der Beklagte befinde sich daher spätestens ab dem 2.8.2018 in Verzug.
Das AG Münster hat den auf die Verzinsungspflicht der Gerichtskosten gerichteten Feststellungsantrag durch sein Urteil abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Feststellungsantrag hinsichtlich der Verzinsungspflicht der Gerichtskosten in einen Zahlungsantrag und nur hilfsweise in einen Feststellungsantrag geändert. Weiterhin hat er hilfsweise den Antrag ohne die Formulierung "nach Maßgabe der Kostenquote des Tenors des Urteils" gestellt.
Das LG Münster hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der BGH hat die vom Kläger eingelegte Revision zurückgewiesen.
II. Zahlungsantrag unzulässig
Nach Auffassung des BGH war der vom Kläger primär gestellte Zahlungsantrag bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, weil er auf die gerichtliche Kostenquote Bezug nimmt. Mit der Formulierung in den Zahlungsantrag "nach Maßgabe der Kostenquote des Tenors des Urteils" wälze er nämlich das Risiko eines (teilweisen) Unterliegens auf den Beklagten ab. Mit dieser Formulierung wolle der Kläger sich von dem Risiko des Teilunterliegens entlasten, was unzulässig sei. Er verknüpfe den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Verzinsung der verauslagten Gerichtskosten mit der im Urteil austenorierten Kostenquote. Er begehre damit im Ansatz eine Verzinsung in voller Höhe mit der grundsätzlichen Bereitschaft, hierbei Abschläge hinzunehmen, wenn sich als Ergebnis der richterlichen Entscheidungsfindung herausstellen sollte, dass der Anspruch auf Kostenerstattung nur teilweise bestehe. Hierbei handelt es sich nach Auffassung des BGH allein um das jedem Prozess innewohnende Risiko eines Teilverlusts, das der Kläger kostenrechtlich selbst zu tragen hat.
III. Kein materiell-rechtlicher Anspruch auf Verzinsung
1. Kein Verzug
Der Kläger hatte seinen geltend gemachten Anspruch auf Verzinsung der gezahlten Gerichtskosten aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB hergeleitet. Ein solcher Anspruch besteht nach Auffassung des BGH nicht, da mangels Durchsetzbarkeit eines entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs hinsichtlich der Zinsforderung kein Verzug eingetreten ist. Deshalb könnten Verzugszinsen bereits aus diesem Grunde nicht geltend gemacht werden. Folgerichtig hat der BGH offengelassen, ob dem Kläger gegen den Beklagten überhaupt ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zustehe.
2. Zinsanspruch
Gem. § 103 Abs. 1 ZPO kann die obsiegende Partei ihren Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten, zu denen auch verauslagte Gerichtskosten gehören, aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. Gem. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO ist auf den Antrag der erstattungsberechtigten Partei auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten, darunter auch die Gerichtskosten vom Eingang des Kostenfestsetzungsantrages mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen sind. Der Ausspruch eines früheren Verzinsungsbeginns kommt bei der Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs im Kostenfestsetzungsverfahren somit nicht in Betracht.
Da der Kläger jedoch die Gerichtskosten – je nach Dauer des Rechtsstreits – möglicherweise schon Jahre zuvor an die Gerichtskasse gezahlt hat, steht ihm im Falle des Obsiegens im Rechtsstreit ein Zinsanspruch erst nach der Existenz der ihm günstigen Kostenentscheidung zu. Damit entsteht eine "Zinslücke" für den Zeitraum ab Zahlung der Gerichtskosten an die Gerichtskasse bis zum Eingang des erst nach Erlass der Kostengrundentscheidung möglichen Kostenfestsetzungsantrags.
Ob für diesen Zwischenzeitraum eine materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch auf Verzinsung gezahlter Gerichtskosten besteht und ob und wie er in dem betref...