1. Unzulässige Teilkostenentscheidung
Das LAG Berlin-Brandenburg hat sich der Auffassung des BGH (AGS 2007, 263 = RVGreport 2007, 269 [Hansens] und zfs 2012, 586 m. Anm. Hansens = RVGreport 2012, 312 [Ders.]) angeschlossen. Danach kann ein Rechtsmittel einer Partei nur einheitlich als selbstständiges Rechtsmittel oder als unselbstständiges Anschlussrechtsmittel geführt werden. Für die Kostenfolge kommt es somit nicht darauf an, ob das Rechtsmittel ursprünglich schon innerhalb der Rechtsmittelfrist oder erst danach bis zum Ablauf der Frist für ein zulässiges Anschlussrechtsmittel nach § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO eingegangen ist. Dies hat hinsichtlich der Kostenentscheidung zur Folge, dass auch über die Kosten der unzulässigen Berufung/rechtzeitigen Anschlussberufung erst dann entschieden werden kann, wenn eine Entscheidung über die gegnerische Berufung erlassen wird. Nach Verwerfung der unzulässigen, als Anschlussberufung auszulegenden Berufung ist dann eine Teilkostenentscheidung, wie sie das LAG Berlin-Brandenburg hier im Beschl. v. 20.1.2022 erlassen hat, nicht zulässig.
Ob eine unzulässige Teilkostenentscheidung Grundlage der Kostenfestsetzung sein kann, hängt davon ab, ob sie formell und materiell rechtskräftig geworden ist. Die formelle Rechtskraft kann eintreten, wenn ein zulässiges Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung nicht (mehr) zulässig ist. Ob die Entscheidung in materieller Rechtskraft erwachsen ist, bedarf der Auslegung. So sind Entscheidungen, die so unbestimmt sind, dass auch durch Auslegung nicht ermittelt werden kann, welcher prozessuale Anspruch in welchem Umfang entschieden werden sollte, nicht der Rechtskraft fähig. Die Kosten der einzelnen Verfahrensstadien (hier Kosten der unzulässigen Berufung/unselbstständigen Anschlussberufung des Klägers einerseits und Kosten der Berufung der Beklagten andererseits) lassen sich nämlich nicht trennen, da bei Erlass der Teilkostenentscheidung (hier Beschl. des LAG v. 20.1.2022) nicht feststeht, in welchem Umfang die Parteien i.Ü. jeweils obsiegen und unterliegen und wie demzufolge die Kosten zu verteilen sind. Eine Kostenentscheidung ist nämlich erst möglich, wenn die Verteilung der Kostentragungspflicht endgültig feststeht, was hier erst nach Rücknahme der Berufung der Beklagten der Fall war.
2. Auswirkungen auf das Kostenfestsetzungsverfahren
Eine ganz andere Sache ist es, welche Auswirkungen eine nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen unzulässige Teilkostenentscheidung auf das Kostenfestsetzungsverfahren hat. Das LAG Berlin-Brandenburg sagt hierzu, dass die unzulässige Teilkostenentscheidung – hier im Beschl. v. 20.1.2022 – nicht Grundlage des Kostenfestsetzungsverfahrens sei, sodass ein gleichwohl ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben ist. Damit hat sich das LAG Berlin-Brandenburg die Sache sehr einfach gemacht, weil es die Sicht des mit dem Kostenfestsetzungsantrag befassten Rechtspflegers nicht berücksichtigt hat.
a) Bindung an die Kostenentscheidung
Der mit dem Kostenfestsetzungsantrag befasste Rechtspfleger ist nämlich an die Kostengrundentscheidung gebunden, weil er nur für die betragsmäßige Ausfüllung dieser Entscheidung zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass der Rechtspfleger auch an eine offensichtlich fehlerhafte oder unvollständige Kostenentscheidung gebunden ist. Hat das Prozessgericht bspw. vergessen, über die Kosten der Säumnis nach § 344 ZPO zu entscheiden, können die Kosten der Säumnis nicht gegen die säumige Partei, die im Rechtsstreit obsiegt hat, festgesetzt werden. Gleiches gilt, wenn das Prozessgericht vergessen hat, dem Kläger die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten nach § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz JurBüro 2008, 427; FG Münster ZInsO 2022, 1187).
Das LAG Berlin-Brandenburg erlegt dem Rechtspfleger jedoch auf, die Wirksamkeit der vom Prozessgericht getroffenen Teilkostenentscheidung zu überprüfen. Wie das LAG zutreffend ausgeführt hat, erfordert eine Überprüfung dieser Wirksamkeit die Auslegung, welcher prozessuale Anspruch in welchem Umfang entschieden werden sollte. Damit weist das LAG dem Rechtspfleger Entscheidungen zu, die eigentlich das Prozessgericht zu treffen hätte.
b) Auslegung der Kostenentscheidung
Zweifelhafte, mehrdeutige oder missverständliche Kostenentscheidungen binden den Rechtspfleger ebenfalls. Er ist jedoch nicht gehindert, die Kostenentscheidung ihrem Wortlaut und sachlichem Gehalt nach auszulegen und dabei den wirklichen Willen des Gerichts zu erforschen. Wenn die Kosten unter Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostengrundentscheidung statt nach Quoten unrichtig nach Teilabschnitten oder Streitgegenständen verteilt werden, hat der Rechtspfleger die Kostengrundentscheidung in einer die Kostenfestsetzung ermöglichenden Weise auszulegen (OLG Schleswig JurBüro 1982, 1404; OLG Frankfurt Rpfleger 1988, 203; von Eicken/Hellstab/Dörndorfer, Die Kostenfestsetzung, 24. Aufl., 2021, Kapitel 2 Rn 77; Zöller/Herget, ZPO, 35...