§§ 91, 103, 104, 301, 516, 524 ZPO
Leitsatz
- In Teilentscheidungen enthaltene Kostenentscheidungen sind, soweit sie gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung verstoßen, regelmäßig so unbestimmt, dass sie nicht als Grundlage für einen Kostenfestsetzungsbeschluss dienen können.
- Derartige Entscheidungen sind wirkungslos und können insbesondere keine Rechtskraftwirkung entfalten.
- Hat das Gericht während des Verfahrens eine danach wirkungslose Teilentscheidung getroffen, ist es durch diese nicht gehindert, über die Kosten letztlich einheitlich zu entscheiden. Die Entscheidung ergeht von Amts wegen.
- Das Rechtsmittel einer Partei kann nur einheitlich als selbstständiges Rechtsmittel oder als unselbstständiges Anschlussrechtsmittel geführt werden. Dabei kann es für die Kostenfolge nicht entscheidend darauf ankommen, ob das Rechtsmittel ursprünglich schon innerhalb der Rechtsmittelfrist oder erst danach bis zum Ablauf der Frist für ein zulässiges Anschlussrechtsmittel (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO) eingegangen ist (vgl. grundlegend zur Kostenfolge: BGH, Beschl. v. 7.2.2007 – XII ZB 175/06, Rn 13, AGS 2007, 263 = RVGreport 2007, 240; BGH, Beschl. v. 8.5.2012 – XI ZR 261/10, Rn 12, zfs 2012, 586 m. Anm. Hansens = RVGreport 2012, 312 [Hansens]).
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 9.5.2023 – 26 Ta (Kost) 6005/23
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte gegen das ihm am 14.9.2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin am 16.9.2021 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.11.2021 – mit einem am 15.11.2021, einem Donnerstag, bei dem LAG Berlin-Brandenburg eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte hatte am 6.11.2021 Berufung eingelegt und diese mit einem am 14.11.2021 bei dem LAG eingegangenen und dem Kläger am 18.11.2021 zugestellten Schriftsatz begründet. Mit seinem am 20.12.2021 beim LAG eingegangenen Schriftsatz hat sich der Kläger der Berufung der Beklagten mit denselben Anträgen wie in der Berufungsbegründung angeschlossen.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Berufung des Klägers durch Beschl. v. 20.1.2022 als unzulässig auf dessen Kosten verworfen, da die Berufungsbegründung verspätet eingegangen sei.
Nachdem die Beklagte ihre Berufung mit Schriftsatz vom 2.3.2022 zurückgenommen hatte, hat das LAG Berlin-Brandenburg am 18.3.2022 folgende Entscheidung erlassen:
Zitat
"Der Beklagten und Berufungsklägerin werden nach der Rücknahme der Berufung die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten auferlegt. Dazu gehören auch die Kosten der Anschlussberufung."
Auf die Anträge der Parteien hat die Rechtspflegerin des ArbG Neuruppin am 5.12.2022 zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse erlassen. Im ersten Beschluss hat sie "nach dem rechtskräftigen Beschluss des LAG vom 20.1.2022" die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 1.159,60 EUR verzinslich festgesetzt. Ausgehend von einem Gesamtstreitwert i.H.v. 52.581,48 EUR entfielen auf die Berufung des Klägers ein Betrag von 33.177,70 EUR. Die Rechtspflegerin hat deshalb die 1,1-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV statt – wie beantragt – i.H.v. 1.510,30 EUR nur i.H.v. 1.139,60 EUR berücksichtigt.
In dem zweiten Kostenfestsetzungsbeschl. v. 5.12.2022 hat die Rechtspflegerin des ArbG "nach dem vorläufig vollstreckbaren Beschluss des LAG vom 18.3.2022" die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 4.598,64 EUR verzinslich festgesetzt.
Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss entspreche nicht dem rechtskräftigen Beschl. des LAG v. 18.3.2022. Mit diesem seien der Beklagten angesichts ihrer Berufungsrücknahme die Kosten der Berufung und der Anschlussberufung auferlegt worden. Mit seinem Beschl. v. 18.3.2022 habe das LAG seine Kostenentscheidung vom 20.1.2022 konkludent aufgehoben. Über die Kosten seiner – des Klägers – Berufung bzw. seiner Anschlussberufung könne nicht unterschiedlich entschieden werden.
Das ArbG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat der sofortigen Beschwerde des Klägers stattgegeben und den von ihm angefochtenen, zu seinen Lasten ergangenen, Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin aufgehoben.
II. Voraussetzungen der Kostenfestsetzung
1. Gesetzliche Grundlagen
Gem. § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Die beiden Beschlüsse des LAG Berlin-Brandenburg v. 20.1.2022 und v. 18.3.2022 enthielten Kostenentscheidungen. Grundlage für die Festsetzung der Kosten der Beklagten war der Verwerfungsbeschl. des LAG v. 20.1.2022, mit dem die Berufung des Klägers auf dessen Kosten als unzulässig verworfen wurde.
Gleichwohl rechtfertigte der Beschl. des LAG Berlin-Brandenburg v. 20.1.2022 nach Auffassung des LAG hier keine Festsetzung der Kosten zugunsten der Beklagten.
2. Grundzüge des Kostenfestsetzungsverfahrens
Im Anschluss hieran hat sich das LAG Berlin-Brandenburg mit den Grundsätzen des Kostenfestsetzungsv...