1. Lösung zum Ausgangsfall
I. Die einzelnen Kostenentscheidungen
Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch erfordert gem. § 103 Abs. 1 ZPO einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel. Hier liegt einmal das am 22.6. verkündete Urteil des LG Berlin vor, das gem. § 704 ZPO einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel darstellt. Nach der Kostenentscheidung in diesem Urteil hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Ein weiterer Vollstreckungstitel ist gem. § 794 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 380 Abs. 3 ZPO der am 1.3. erlassene Beschluss des LG Berlin, in dem dem Zeugen Z die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt worden sind.
II. Die einzelnen Kostenerstattungsansprüche
1. Beklagter
a) Gegen den Kläger
Der zum Vorsteuerabzug berechtigte Beklagte hat aufgrund der Kostenentscheidung in dem am 22.6. verkündeten Urteil einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger wegen der Kosten des Rechtsstreits. Diese Kosten bestehen in den gesetzlichen Gebühren und Auslagen seines Prozessbevollmächtigten (s. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO) und berechnen sich wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
1.136,20 EUR |
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(Wert: 25.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
1.048,80 EUR |
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(Wert: 25.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Gesamt |
2.205,00 EUR |
Terminsreisekosten kann der Beklagte nicht geltend machen, da sein Prozessbevollmächtigter bei der Anreise von Berlin-Spandau nach Berlin-Charlottenburg, wo das LG Berlin im Tegeler Weg gelegen ist, die Gemeindegrenze (Berlin) nicht überschritten hat (s. Vorbem. 7 Abs. 2 VV).
b) Gegen den Zeugen Z
Aufgrund der gegen den Zeugen Z in dem Beschl. v. 1.3. ergangenen Kostenentscheidung hat der Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Zeugen wegen der durch dessen Ausbleiben entstandenen Kosten. Das sind nicht die Kosten, die den Parteien im Termin vom 1.3. entstanden sind. Diese wären nämlich auch dann angefallen, wenn der Zeuge Z erschienen wäre. Vielmehr betrifft die Kostenentscheidung die Kosten des Folgetermins am 1.6. In Betracht kommen hier nur Terminsreisekosten, die dem Berliner Prozessbevollmächtigten des Beklagten wegen Vorbem. 7 Abs. 2 VV aber nicht angefallen sind.
Somit geht für den Beklagten die Kostenentscheidung gegen den Zeugen Z ins Leere.
2. Ansprüche des Klägers
Dieser hat nur einen Kostenerstattungsanspruch, nämlich gegen den Zeugen Z aufgrund des Beschlusses vom 1.3. Dieser Kostenerstattungsanspruch betrifft die Kosten für die Wahrnehmung des Termins am 1.6.
Dem Prozessbevollmächtigten sind hierfür Terminsreisekosten angefallen, da er bei der Anreise von seiner Kanzlei in Potsdam zum LG in Berlin die Gemeindegrenze (Potsdam) überschritten hat (s. Vorbem. 7 Abs. 2 VV).
Somit berechnen sich die Terminsreisekosten des Klägers wie folgt:
1. |
Fahrtkosten von Potsdam nach Berlin und zurück, Nr. 7003 VV |
29,40 EUR |
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(70 km x 0,42 EUR) |
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2. |
Tage- und Abwesenheitsgeld bis 4 Std., Nr. 7005 Nr. 1 VV |
30,00 EUR |
3. |
Anteilige Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
11,29 EUR |
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Gesamt |
70,69 EUR |
2. Lösung zur Abwandlung
I. Kostenerstattungsanspruch des Beklagten
Dieser hat auch in der Abwandlung keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Zeugen Z1, da ihm wegen der Regelung in Vorbem 7 Abs. 2 VV keine Terminsreisekosten entstanden sind. Die Gebühren des Prozessbevollmächtigten sind nicht Folge der Säumnis des Beklagten, da sie auch im Fall seines Erscheinens im Termin vom 1.3. angefallen sind.
II. Kostenerstattungsanspruch des Klägers
Dem Kläger sind für die Anfahrt seines Prozessbevollmächtigten zum Termin am 1.6. Reisekosten angefallen, die der Höhe nach den im Ausgangfall (s. vorstehend II. 2.) i.H.v. 70,69 EUR entsprechen. Folglich spricht viel dafür, dass der Kläger auch in der Abwandlung einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch gegen den Zeugen Z1 i.H.v. 70,69 EUR hat.
Dagegen könnte nur sprechen, dass die Terminsreisekosten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auch dann angefallen wären, wenn der Zeuge Z1 im Termin vom 1.3. erschienen wäre und ausgesagt hätte. Wegen der Entschuldigung des Zeugen Z2 wäre aber der Folgetermin vom 1.6. ohnehin erforderlich gewesen. Da in § 380 Abs. 1 ZPO von den "durch das Ausbleiben (des Zeugen) verursachten Kosten" die Rede ist und nicht von "Mehrkosten", spricht vieles dafür, dass die Reisekosten jedenfalls durch das unentschuldigte Nichterscheinen des Zeugen Z1 mitverursacht worden sind.
Da diese Rechtsfrage – soweit ersichtlich – gerichtlich noch nicht geklärt ist, stellt der Klägervertreter einen Antrag auf Festsetzung seiner Terminsreisekosten i.H.v. 70,69 EUR gegen den Zeugen Z1.
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 8/2024, S. 344 - 346