Manchmal weiß man bei gebührenrechtlichen Entscheidungen nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man sie gelesen hat. Ich habe mich hier mal wieder – leider – für das Weinen entschieden. Denn der Beschluss ist eine der vielen gebührenrechtlichen Entscheidungen gerade zum Bußgeldverfahren, die in meinen Augen ein für eine Beschwerdekammer eines LG zu großes Maß an gebührenrechtlichen Lücken zeigt. Dabei mag dahingestellt bleiben, woran es liegt, dass man sich mit den zu entscheidenden Fragen nicht vernünftig auseinandersetzt. Ein Grund wird wahrscheinlich sein, dass die Landeskassen leer sind und es ja nur um die Einnahme von anderen geht.
Im Einzelnen:
1. Der Ansatz des LG zur Frage der Bemessung der Rahmengebühren ist grds. zutreffend. Auch im Bußgeldverfahren ist grds. von der Mittelgebühr auszugehen (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 5 VV Rn 54 ff. m.w.N.). Von der Mittelgebühr sind dann entsprechend der Umstände des Falles Abschläge nach oben oder unten zu machen. Und insoweit leuchtet mir nicht ein, warum das LG hier eine Erhöhung der Mittelgebühr kategorisch ablehnt. Festgesetzt war eine Geldbuße von 1.000,00 EUR und ein Fahrverbot von drei Monaten, also erhebliche Rechtsfolgen, die den Betroffenen im Falle eines Urteils erwartet hätten. Der Verteidiger hatte auch ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht, was das LG mit dürren Worten abtut. Das Beweisverwertungsverbot hat aber immerhin offenbar zur Aussetzung der Hauptverhandlung und schließlich zur Einstellung geführt. Demgegenüber wiegen die vom LG mindernd angeführten Umstände nicht schwer. Angeführt wird letztlich nur der geringe Aktenumfang. Insgesamt spricht daher m.E. alles dafür, dass die Mittelgebühr überschritten werden konnte. Ob eine Überschreitung in dem vom Verteidiger geltend gemachten Umfang berechtigt war, kann man letztlich nicht entscheiden, ohne die genauen Umstände des Verfahrens zu kennen. Jedenfalls war eine Überschreitung aber gerechtfertigt. Eine Unterschreitung kam – anders als offenbar das LG – nicht in Betracht.
In dem Zusammenhang ist m.E. auch der Ton der Argumentation des LG zu beanstanden. Man hat den Eindruck, dass die Kammer davon ausgeht, dass dem Verteidiger ein Geschenk gewährt wird, wenn man seine Gebühren festsetzt. Wie anders soll man sonst die Formulierung, das AG sei "in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor den Belangen des Betroffenen durch die Zubilligung der Mittelgebühr bereits wohlwollend entgegengekommen", verstehen? Es kommt doch für die angemessene Bemessung der Rahmengebühren nicht auf das "Wohlwollen" des Bezirksrevisors und/oder des Richters an. Beide sind an Gesetz und Rspr. gebunden und haben die geltenden Regeln anzuwenden. "Wohlwollen" hin oder her. Im Grunde ist diese Formulierung des LG erschreckend, denn sie zeigt ein Verständnis vom anwaltlichen Gebührenrecht, das dem des Gesetzgebers bei Schaffung des RVG diametral entgegensteht.
2. Auch die Ausführungen des LG zur Befriedungsgebühr Nr. 5115 VV sind nicht zutreffend. Richtig ist, dass der BGH (a.a.O.) zur Nr. 4141 VV ausgeführt hat, dass die Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV nicht anfällt, wenn ein Strafverfahren in der Hauptverhandlung nach § 153a StPO vorläufig eingestellt wird und nach Erbringung der Auflage die endgültige Einstellung erfolgt. Das gilt grds. für die ähnliche Nr. 5115 VV entsprechend. Entsprechend gilt auch, dass das auch angenommen wird, wenn es sich um die Verhinderung von Fortsetzungsterminen handelt (so wohl auch BGH, a.a.O., und OLG Köln RVGreport 2006, 152 = AGS 2006, 339; LG Siegen, Beschl. v. 3.7.2020 – 10 Qs 61/20, AGS 2021, 29; AG Hannover RVGreport 2018, 458 = AGS 2018, 561).
Aber: Mit der Problematik haben wir es hier überhaupt nicht zu tun. Der Hauptverhandlungstermin hat am 30.11.2022 stattgefunden. Dabei ist die Frage des Beweisverwertungsverbotes thematisiert worden, was dazu geführt hat, dass der Termin nicht beendet, sondern ausgesetzt worden ist. Es hätte also auf jeden Fall eine neue Hauptverhandlung stattfinden müssen bzw. hat sich so ergeben. Denn im Hinblick auf die Fristen des § 229 StPO kann es sich, wenn am 10.5.2023 das Verfahren eingestellt worden ist, nicht um einen Fortsetzungstermin gehandelt haben. Dafür spricht auch, dass der Verteidiger nur eine Terminsgebühr (für die Hauptverhandlung am 30.11.2022) geltend gemacht hat. Damit ist durch die Einstellung eine neue Hauptverhandlung vermieden worden, was ausreicht. Denn für den Anfall der Befriedungsgebühren Nrn. 4141, 5115 VV reicht es, wenn ein weiterer Hauptverhandlungstermin vermieden wird, es kommt nicht darauf an, dass überhaupt eine Hauptverhandlung vermieden wird (BGH, a.a.O.; u.a. OLG Bamberg StraFo 2007, 130 = AGS 2007, 138; OLG Hamm AGS 2008, 228; OLG Köln StraFo 2018, 43 = AGS 2018, 12; LG Arnsberg StraFo 2017, 131 = AGS 2017, 216; LG Düsseldorf AGS 2007, 36 = JurBüro 2007, 83; LG Oldenburg, Beschl. v. 21.7.2008 – 5 Qs 268/08; AGS 2011, 598). Das sollte eine Beschwer...