§ 14 RVG, Nr. 5115 VV RVG
Leitsatz
- Auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen. Allerdings sind oft weder Aktenumfang, Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage oder mögliche Rechtsfolgen nach den Kriterien des § 14 RVG so ausgestaltet, dass die Mittelgebühr erreicht oder gar überschritten werden könnte.
- Der Normzweck der Nr. 5115 VV spricht dafür, dass eine Einstellung, die innerhalb der Hauptverhandlung erfolgt, eine Befriedungsgebühr nicht mehr auszulösen vermag. Dabei ist es gleichgültig, ob die Einstellung am Tag der Hauptverhandlung oder an einem späteren Terminstag geschieht, insbesondere ob hierdurch Fortsetzungstermine vermieden werden.
LG Leipzig, Beschl. v. 9.4.2024 – 13 Qs 118/24
I. Sachverhalt
Gegen den Betroffenen hatte der Landkreis Leipzig am 1.7.2022 einen Bußgeldbescheid wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG erlassen und dabei als Rechtsfolge eine Geldbuße i.H.v. 1.000,00 EUR sowie ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten ausgesprochen.
Nach Einspruch des Betroffenen fand am 30.11.2022 eine Hauptverhandlung statt, bei der die Frage thematisiert wurde, welcher Zeitabstand zwischen letzter Alkoholaufnahme und Messung durch ein entsprechendes Messgerät erforderlich sei. Nach Einholung der entsprechenden Auskünfte stellte das AG das Verfahren durch Beschl. v. 10.5.2023 gem. § 47 Abs. 2 OWiG ein, die Kosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Landeskasse auferlegt.
Der Betroffene hat gegenüber der Landeskasse die Erstattung folgender notwendiger Auslagen verlangt: Grundgebühr Nr. 5100 VV i.H.v. 140,00 EUR, Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV i.H.v. 250,00 EUR, Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV i.H.v. 250,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 5110 VV i.H.v. 450,00 EUR und Verfahrensgebühr Nrn. 5115, 5103 VV i.H.v. 176,00 EUR. Abweichend von dem Antrag hat das AG geringere Beträge, und zwar nur i.H.d. Mittelgebühr, festgesetzt. Zur Begründung für die Abweichung wurde darauf verwiesen, dass es sich nur um ein "durchschnittliches" Verfahren gehandelt habe, bei dem auch unter Beachtung der Folgen für den Betroffenen im Falle einer Verurteilung ausschließlich von der Mittelgebühr auszugehen sei. Die von dem Betroffenen begehrte Befriedungsgebühr gem. Nr. 5115 VV könne nicht festgesetzt werden, da eine Hauptverhandlung durchgeführt wurden sei.
Dagegen hat sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde gewendet und geltend gemacht, dass das Verfahren schon aufgrund der Bedeutung für den Betroffenen überdurchschnittlichen Charakter gehabt habe. Auch sei die Befriedungsgebühr im Hinblick auf eine Entscheidung des BGH v. 14.4.2011 angefallen. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
II. Bemessung der Rahmengebühren (§ 14 RVG)
Nach Auffassung des LG hat das AG die Gebühren zu Recht lediglich i.H.d. Mittelgebühr festgesetzt, da die von dem Verteidiger begehrten Gebühren unbillig i.S.d. § 14 RVG und damit nicht gerechtfertigt seien. Dem Verteidiger sei zwar zuzustimmen, dass auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten grds. von der Mittelgebühr auszugehen sei. Allerdings eröffnen nach Ansicht des LG diese Verfahren in aller Regel "Spielraum nach unten", da sehr oft weder Aktenumfang, Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage oder mögliche Rechtsfolgen nach den Kriterien des § 14 RVG so ausgestaltet seien, dass die Mittelgebühr erreicht oder gar überschritten werden könnte.
Unter Beachtung der Kriterien des § 14 RVG könne vorliegend auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger "versuchten Argumentation" allenfalls von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Für diese spreche im Wesentlichen nur die Rechtsfolge, ohne dass sich in irgendeiner Weise ableiten ließe, dass Geldbuße und/oder Fahrverbot eine besondere Bedeutung für den Betroffenen gehabt hätten, zumal der Gebührenrahmen auch eine Geldbuße von 60,00 bis 5.000,00 EUR umfasse.
Dagegen sprechen die weiteren Kriterien nach Auffassung des LG – teils deutlich – für ein unterdurchschnittliches Verfahren. Die Akte habe zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 41 Blatt umfasst, wobei sich die meisten Seiten davon mit Akteneinsichtsgesuchen, Verteidigungsanzeigen u.a. beschäftigten und für das Verfahren keine besondere Relevanz aufweisen würden. Die von dem Verteidiger thematisierte besondere Problematik der Beweisverwertung erschöpfe sich darin, in welchem Abstand nach Trinkende die Messung mit dem Atemalkoholmessgerät durchgeführt worden sei.
Nach alledem seien in dem Verfahren eine Reihe von Gesichtspunkten zu erkennen, die diesem unterdurchschnittlichen Charakter verleihen. Insoweit sei das AG "in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor den Belangen des Betroffenen durch die Zubilligung der Mittelgebühr bereits wohlwollend entgegengekommen". Für die vermeintlichen Gebührentatbestände seien die Berechnungen des AG auf der Grundlage der Mittelgebühr nicht zu beanstanden.
III. Befriedungsgebühr Nr. 5115 VV
Entgegen der Auffassung des Betroffenen sei auch die Befriedungsgebühr gem. Nr. 5115 VV nicht zuzubilligen. Auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger zitierten BGH-Entscheidung v. 14.4.2011 (IX ZR 15...