§§ 103, 104 ZPO; Nr. 1211 GKG KV; § 21 GKG
Leitsatz
- Ist das Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet worden, dem bereits ein Versäumnisurteil vorausgegangen war, so führt dies nicht zu einer Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 GKG KV, ohne dass im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen und aufzuklären wäre, ob das vorausgehende Versäumnisurteil formal zu Recht erlassen wurde.
- Die Klärung, ob eine Nichterhebung von Gerichtskosten ausnahmsweise wegen einer unrichtigen Sachbehandlung geboten ist, ist ggf. dem Verfahren nach § 21 GKG vorbehalten.
OLG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2024 – 4 W 17/24
I. Sachverhalt
Die (spätere) Beklagte hatte gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt. Das Mahngericht hatte das Verfahren an das LG Hamburg abgegeben. Dieses hat die Zustellung der Anspruchsbegründung und der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens verfügt. Die Zustellungsurkunde, nach der der Beklagte die Anspruchsbegründung und die verfahrenseinleitende Verfügung durch Einlage in den Briefkasten zugestellt worden ist, gelangte zu den Gerichtsakten. Hieraufhin erließ das LG Hamburg ein Versäumnisurteil, das den Parteien zugestellt wurde.
Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte fristgerecht Einspruch ein mit der Begründung, sie habe weder die Anspruchsbegründung noch die verfahrenseinleitende Verfügung erhalten. Unter der Zustellanschrift habe sie seit Ende 2022 keine Geschäftsräume mehr. Die Beklagte wies darauf hin, dass bereits der Zusteller des Mahnbescheids die Zustelladresse berichtigt und den Mahnbescheid unter einer anderen Adresse zugestellt hatte. Später seien auch die angeblich zugestellte Anspruchsbegründung und die verfahrenseinleitende Verfügung mit einem Vermerk an das Gericht zurückgelangt, der Empfänger sei nicht zu ermitteln. Zur weiteren Glaubhaftmachung ihres Vortrages legte die Beklagte eidesstattliche Versicherungen ihrer Mitarbeiter vor, dass sie bereits seit Ende 2022 umgezogen seien.
Das LG Hamburg stellte hieraufhin die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung mit der Begründung ein, die Beklagte habe glaubhaft gemacht, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen sei.
Der Rechtsstreit endete durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, in dem die Parteien die Kostenaufhebung vereinbarten.
Auf Antrag der Klägerin setzte der Rechtpfleger des LG Hamburg in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Gerichtskosten auf der Basis der von der Klägerin gezahlten 3,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 GKG KV fest. Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Beklagte geltend gemacht, die Gerichtskosten hätten sich nach Nr. 1211 GKG KV auf eine 1,0-Gebühr ermäßigt, weil das dem Vergleich vorausgegangene Versäumnisurteil nicht in gesetzeskonformer Weise ergangen sei.
II. Einwendungen gegen die Festsetzung von Gerichtskosten
1. Zulässigkeit der Einwendungen
In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss hatte der Rechtspfleger aufgrund der Kostenaufhebung in dem gerichtlich geschlossenen Vergleich allein die Hälfte der von der Klägerin gezahlten Gerichtskosten festgesetzt. Nach den Ausführungen des OLG Hamburg kann sich die Klägerin hiergegen mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wenden und geltend machen, die von der Klägerin gezahlten und zum Ausgleich geltend gemachten Gerichtskosten seien nicht notwendig gewesen, weil der sie betreffende Gerichtskostenansatz überhöht sei (s. BGH AGS 2013, 433 = zfs 2013, 587 m. Anm. Hansens = RVGreport 2013, 359 [Hansens]).
2. Gerichtskostenansatz zutreffend
Nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamburg war der der Kostenausgleichung zugrunde liegende Gerichtskostenansatz zutreffend. Gem. Nr. 1210 GKG KV sei insgesamt eine 3,0-Verfahrensgebühr entstanden. Einer Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 S. 1 Nr. 3 GKG KV wegen der Beendigung des gesamten Verfahrens durch gerichtlichen Vergleich stehe entgegen, dass bereits ein Versäumnisurteil vorausgegangen war.
Ist – wie es hier der Fall war – dem Vergleich ein Versäumnisurteil vorausgegangen, so setzt nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamburg Nr. 1211 GKG KV keine weitere Prüfung und Aufklärung voraus, ob dieses Versäumnisurteil im konkreten Einzelfall in gesetzeskonformer Weise ergangen ist. Vielmehr sei es nach dem maßgeblichen Wortlaut der Gebührenvorschrift unerheblich, ob das vorausgegangene Urteil formal zu Recht erlassen wurde (OLG Koblenz AGS 2004, 489 m. Anm. N. Schneider; NK-GK/Volpert, 3. Aufl., 2021, Nr. 1211 GKG KV Rn 206; a.A. OLG Saarbrücken OLGR 1998, 296; OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.6.2017 – 9 W 15/17).
Das OLG Hamburg hat darauf hingewiesen, dass eine Ermäßigung der gerichtlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 1211 GKG KV selbst dann nicht in Betracht komme, wenn ein vorangegangenes Urteil aufgrund einer Gehörsrüge nach § 321a ZPO keinen Bestand mehr gehabt hat oder es in der Berufungsinstanz aufgehoben wurde. Ferner hat das OLG darauf hingewiesen, dass die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1211 GKG KV eng an ihrem Wortlaut auszulegende Ausnahmevorsch...