§ 25 Abs. 2 RVG; § 1115 Abs. 1 ZPO
Leitsatz
Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit für einen Antrag des Schuldners, die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung zu versagen, ist unter Berücksichtigung des Interesses des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Er ist in der Regel auf den Wert der titulierten Forderung festzusetzen.
BGH, Beschl. v. 28.2.2024 – IX ZB 60/21
I. Sachverhalt
Die Antragsgegnerin, eine lettische Bank, über deren Vermögen in Lettland das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat – vertreten durch den Insolvenzverwalter – den Antragsteller und weitere Beteiligte in Verfahren vor lettischen Gerichten wegen behaupteter Verletzung von organschaftlichen Pflichten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Antragsteller war Mitglied im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin. Zugleich mit der Einreichung der vorgenannten Klage bei dem zuständigen Bezirksgericht in Lettland hatte die Antragsgegnerin die Anordnung von einstweiligen Maßnahmen in das Vermögen des Antragstellers und weiterer Beteiligter beantragt. Diesem Antrag wegen einer Forderung i.H.v. rund 31,5 Mio. EUR gab das Bezirksgericht ohne vorherige Anhörung des Antragstellers statt und ordnete die Eintragung einer Vormerkung über ein Pfandrecht auf ein im Eigentum des Antragstellers stehendes Grundstück im Grundbuch, die Eintragung eines Vermerks über das Verbot der Verfügung über Gesellschaftsanteile des Antragstellers in das jeweilige Unternehmensregister und die Beschlagnahme von Zahlungen an.
Auf Antrag der Antragsgegnerin ordnete das AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, gestützt auf die vorgenannte Entscheidung des Bezirksgerichts in Lettland, die Pfändung des Ruhegehalts des Antragstellers und seiner Ansprüche aus Gesellschaftsanteilen an. Das LG Berlin hat den Antrag des Antragstellers auf Versagung der Anerkennung und Vollstreckung der vorgenannten Entscheidung des Bezirksgerichts in Lettland zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte beim KG keinen Erfolg. Auf die dagegen vom Antragsteller eingelegte Rechtsbeschwerde hat der BGH (WM 2023, 2270 = ZInsO 2024, 327) den Beschluss des KG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das KG zurückverwiesen. Im Tenor seiner Entscheidung hat der BGH den "Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens" auf 3.146.899,00 EUR festgesetzt.
Gegen diese Wertfestsetzung hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers Gegenvorstellung erhoben und beantragt, den Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 30 Mio. EUR festzusetzen. Die Einzelrichterin des BGH hat die Sache dem Senat übertragen, der zu einer Heraufsetzung des Gegenstandswertes keinen Anlass gesehen hat.
II. Festsetzung des Gegenstandswertes
1. Gesetzliche Grundlagen
Gem. § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszuges den Gegenstandswert auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwert richten oder es an einem solchen Wert fehlt. Über einen solchen Antrag hat auch beim BGH gem. § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 1 RVG der Einzelrichter zu entscheiden (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, AGS 2021, 471 [Hansens] = zfs 2021, 642 m. Anm. Hansens).
2. Bestimmung des Gegenstandswertes
Nach Auffassung der Einzelrichterin des BGH, die über die Gegenvorstellung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers entschieden hat, bestimmt sich der Gegenstandswert für einen Antrag des Schuldners nach § 1115 ZPO i.V.m. Art. 45 Abs. 4 und Art. 47 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung zu versagen, nach § 25 Abs. 2 RVG. Dabei sei das Interesse des Schuldners nach billigem Ermessen in der Regel nach dem Wert der titulierten Forderung zu bestimmen. Dies gilt nach Auffassung des BGH sowohl für den Antrag, der die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung begehrt, als auch für den Antrag des Schuldners auf Versagung dieser Anerkennung.
Im Verfahren auf Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung sei Antragsteller der Schuldner der titulierten Forderung. Dies hat nach den weiteren Ausführungen des BGH zur Folge, dass sich der Wert nach dem Umfang des erstrebten Ausschlusses der Zwangsvollstreckung aus dem ausländischen Titel in Deutschland bestimme. Dabei werde sich das nach § 25 Abs. 2 RVG zu berücksichtigende Interesse des Antragstellers auf den Ausschluss der Zwangsvollstreckung regelmäßig auf die gesamte titulierte Forderung beziehen. Dies habe zur Folge, dass der Gegenstandswert in entsprechender Höhe festgesetzt werden könne.
Eine hiervon abweichende, niedrigere Wertfestsetzung kann nach den weiteren Ausführungen des BGH im Ausnahmefall jedoch dann geboten sein, wenn es lediglich um die Abwehr einstweiliger Maßnahmen geht oder wenn eine titulierte Forderung aufgrund ihrer Höhe nicht ernstlich durchsetzbar erscheint. Dies gelte auch im Rechtsmittelverfahren über den Antrag des Schuldners nach § 1115 ZPO i.V.m. Art. 45, 46 Brüssel-...