1. Allgemeines
Das Recht auf Vorschuss nach § 9 RVG gilt für alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind. Die Vorschrift gilt auch dann, wenn das RVG keine Gebühren vorsieht, wie in den Fällen des § 34 Abs. 1 RVG. Ob § 9 RVG unmittelbar auch auf vereinbarte Vergütungen anzuwenden ist, wird in der Lit. nicht einheitlich beantwortet. AnwK RVG/N. Schneider bejaht das Vorschussrecht grds., zweifelt aber, ob es sich immer unmittelbar aus § 9 RVG ergibt oder ggf. in der Vereinbarung ausdrücklich geregelt sein muss. Ohne Einschränkungen bejaht wird das Vorschussrecht insoweit hingegen von Gerold/Schmidt/Mayer und von Burhoff/Volpert. Es dürfte sich daher empfehlen, die Frage des Vorschusses ggf. in einer Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) zu regeln.
Weil ein Recht auf Vorschuss besteht, muss nicht ausdrücklich erklärt werden, dass der Rechtsanwalt vorschussweise abrechnet.
§ 42 RVG sieht ggf. auch für den Wahlanwalt/-verteidiger eine Pauschgebühr vor. Für diese ist in § 42 RVG – anders als bei der Pauschgebühr für den Pflichtverteidiger nach § 51 RVG – im Gesetz ein Vorschuss nicht vorgesehen. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Rechtsanwalt nicht auch in diesen Fällen einen Vorschuss verlangen kann, da § 9 RVG keine Einschränkung enthält und auch die Pauschgebühr eine Gebühr i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 RVG ist. Wird die Pauschgebühr später nicht oder geringer festgesetzt, muss der Rechtsanwalt den Unterschiedsbetrag ggf. zurückzahlen.
2. Zeitpunkt des Vorschussverlangens
Der Rechtsanwalt kann den Zeitpunkt bestimmen, zu dem er einen Vorschuss fordert. Er kann ihn zu Beginn, aber auch erst im Laufe des Mandats beanspruchen. Hat der Rechtsanwalt zu Beginn des Mandats noch von der Erhebung des Vorschusses abgesehen, können veränderte Umstände dazu führen, dass er später dann doch einen Vorschuss fordert. Das ist allerdings nicht mehr möglich, wenn der Rechtsanwalt (ausdrücklich oder konkludent) auf die Zahlung eines Vorschusses verzichtet hat. Allein in der Übernahme des Mandats, ohne dass die Zahlung eines Vorschusses verlangt wird, liegt aber noch nicht der (konkludente) Verzicht auf einen Vorschuss. Der Rechtsanwalt darf den Vorschuss allerdings nicht zur Unzeit verlangen und bei Nichtzahlung das Mandat dann ggf. kündigen (vgl. auch IX.). Das wäre z.B. der Fall, wenn der Rechtsanwalt das Mandat im Strafverfahren so kurzfristig vor der Hauptverhandlung niederlegt, dass der Angeklagte keinen anderen Verteidiger mehr beauftragen kann und damit eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht mehr gewährleistet ist.
Mit Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwalts gem. § 8 Abs. 1 RVG kann ein Vorschuss nach § 9 RVG nicht mehr verlangt werden, vielmehr muss der Rechtsanwalt dann nach § 10 RVG abrechnen.