1. Angemessener Vorschuss
Um die Höhe des vom Rechtsanwalt geforderten Vorschusses gibt es in der Praxis häufig Streit. Nach § 9 RVG ist der Rechtsanwalt berechtigt, einen "angemessenen" Vorschuss zu fordern. Daraus lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass er nur berechtigt ist, nur einen Teil der voraussichtlich entstehenden Vergütung zu verlangen. Er ist vielmehr berechtigt, seinen Vorschuss i.H.d. gesamten voraussichtlich anfallenden Gebühren zu berechnen. Es gibt nämlich keinen Grundsatz dahin gehend, dass die Vorschussforderung hinter der voraussichtlich endgültig entstehenden Gesamtvergütung zurückbleiben muss. Grundlage und Grenze der Vorschussforderung sind aber die voraussichtlich anfallenden Gebühren.
Das Recht, einen Vorschuss zu fordern, umfasst nicht nur die Gebühren, sondern aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 9 RVG – "voraussichtlich entstehende Gebühren und Auslagen" – auch die Auslagen nach den Nrn. 7000 ff. VV. Der Rechtsanwalt kann daher einen Vorschuss auf sämtliche ggf. anfallenden Auslagentatbestände verlangen. Das sind i.d.R. die Post- und Telekommunikationsentgelte sowie die Kopierkosten. Bei Reisekosten wird die Anforderung eines Vorschusses davon abhängen, ob eine Reise des Rechtsanwalts konkret zu erwarten ist.
2. Keine Ratenzahlungen
Der Rechtsanwalt kann nur insoweit Vorschuss verlangen, wie er bereits beauftragt ist. Hat er im Strafverfahren z.B. zunächst nur den Auftrag, den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu vertreten, kann er auch nur für die hier anfallenden Gebühren einen Vorschuss geltend machen. Ist der Rechtsanwalt jedoch bereits (bedingt) auch mit der weiteren Vertretung beauftragt, kann er auch für die folgenden Verfahrensabschnitte einen Vorschuss anfordern. Entsprechendes gilt für das Zivilverfahren. Den angemessenen Vorschuss kann der Verteidiger aber im Ganzen anfordern. Er muss sich nicht mit Ratenzahlungen zufriedengeben.
Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass die Vergütung höher werden wird, als der Rechtsanwalt zunächst angenommen hat, z.B. weil im Strafverfahren weitere Hauptverhandlungstermine anberaumt worden sind, wodurch zusätzliche Terminsgebühren entstehen, oder weil sich im Zivilverfahren der Gegenstandswert erhöht hat, kann er einen weiteren Vorschuss verlangen.
3. Die einzelnen Verfahren
Im Einzelnen gilt:
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Handelt es sich um eine außergerichtliche Vertretung, kann der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV als Vorschuss verlangen, und zwar etwa i.H.v. 1,3. Ist abzusehen, dass es zu einer Besprechung kommen wird, kann er den Vorschuss mit 1,5-Gebühren fordern oder ggf. nachfordern. |
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Für einen Rechtsstreit nach Teil 3 VV wird i.d.R. ein Vorschuss i.H.d. Verfahrens- und der Terminsgebühr verlangt werden können. Möglich ist auch ein Vorschuss auf eine zu erwartende Einigungsgebühr, und zwar jedenfalls dann, wenn Einigungsverhandlungen schweben oder aus anderen Gründen mit einer Einigung regelmäßig zu rechnen ist, z.B. in einem arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozess. |
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Im Strafverfahren wird der Verteidiger/Rechtsanwalt auf jeden Fall die Grundgebühr Nr. 4100 VV, die entsprechenden Verfahrensgebühren und die Terminsgebühren für die Hauptverhandlungstermine fordern können, die absehbar sind. Zusätzliche Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 VV kann er grds. auch anfordern. Das gilt sicher für die häufig anfallende Nr. 4141 VV. Die zusätzlichen Gebühren für Einziehung (Nr. 4142 VV) oder für eine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren (Nrn. 4143, 4144 VV) wird er allerdings im Wege der Vorschussanforderung nur geltend machen können, wenn konkret absehbar ist, dass diese Gebühren auch anfallen. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Stellung eines Adhäsionsantrags vom Geschädigten angekündigt wird. Auch der (Haft-)Zuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV wird nur gefordert werden können, wenn Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass es zu einer Inhaftierung des Mandanten kommt bzw. der Mandant inhaftiert ist. |
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Das gilt in Bußgeldsachen entsprechend. Hier kann der Rechtsanwalt/Verteidiger nach einem Einspruch im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde auch bereits die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren fordern, da "die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens und das Anfallen – mindestens – der gerichtlichen Verfahrensgebühr ganz überwiegend wahrscheinlich ist". |