ZPO § 145; RVG VV Nr. 3100
Leitsatz
Der Prozessbevollmächtigte darf im Falle einer Prozesstrennung einheitlich die Gebühren nach dem Gesamtstreitwert oder gesondert aus den getrennten Verfahren mit den jeweiligen Einzelwerten geltend machen.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.5.2009 – I-24 W 28/09
1 Sachverhalt
Aus einem ursprünglich einheitlichen Verfahren wurde ein Teil abgetrennt. Die obsiegende Partei beantragte daraufhin in dem Ausgangsverfahren die Festsetzung ihrer Kosten (Verfahrensgebühr und Terminsgebühr nebst Auslagen) nach dem verbliebenen Wert. In dem abgetrennten Verfahren beantragte sie die Festsetzung einer weiteren 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der abgetrennten Gegenstände. Das LG hat den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Es war der Auffassung, nur in dem Ausgangsverfahren könne eine Festsetzung beantragt werden.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss und dem Nichtabhilfevermerk vom 22.4.2009 steht dem Beklagten nur ein Kostenerstattungsanspruch in dem tenorierten Umfang zu.
Allerdings ist die Kostenfestsetzung in dem abgetrennten Verfahren 7 O 374/08 LG Wuppertal entgegen der Auffassung der Kläger nicht vollständig ausgeschlossen. Die Trennung bewirkt vielmehr das Entstehen neuer, gesondert zu entscheidender Verfahren. Dabei bleiben die vor der Prozesstrennung entstandenen Gebühren bestehen und sie entstehen danach, und zwar nur aus den Werten der getrennten Verfahren, noch einmal (OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, OLGR Düsseldorf 2000, 74 = AGS 2000, 84; Müller/Rabe Handbuch des FA f. FamR 2. Aufl., 17. Kap., Rn 153; AnwK-RVG/Onderka VV Vorbem. 3 Rn 65; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 18. Aufl., VV 3100 Rn 96; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Vorbem. Teil 3 Rn 36). Der Rechtsanwalt darf wählen, ob er die Gebühren aus dem Verfahren vor der Trennung oder aus den zwei Verfahren danach verlangt. Nebeneinander kann er sie wegen § 15 Abs. 2 RVG nicht geltend machen (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. zum gleichlautenden § 13 Abs. 2 BRAGO; AnwK-RVG/Onderka a.a.O., Gerold/Schmidt/Madert/Müller-Rabe a.a.O., Riedel/Sußbauer/Keller a.a.O.).
Diesen Grundsätzen wird die angefochtene Festsetzung grundsätzlich gerecht. Denn in dem abgetrennten Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV verdient. Nach der Vorbem. 3 Abs. 2 VV entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Verfahrensgebühr ist eine Dauergebühr, die sich über den gesamten verfahrensrechtlichen Abschnitt erstreckt. Sie fällt deshalb stets an, weil der Rechtsanwalt mit jeder mandatsbezogenen Tätigkeit "sein Geschäft betreibt" (Burhoff/Burhoff, RVG Vorbem. 5 Rn 16). Nur dort, wo einer Tätigkeit punktuell eine besondere Gebühr (Grundgebühr, Terminsgebühr) gegenübergestellt ist, tritt sie hinter dieser besonderen Gebühr zurück (Riedel/Sußbauer/Keller a.a.O. Rn 22; BeckOK/Kotz, RVG Vorbem. 5 Rn 12). Die Verfahrensgebühr entsteht, sobald der Rechtsanwalt auf Grund des Beistandsauftrags in irgendeiner Weise tätig wird (Riedel/Sußbauer/Keller a.a.O. Rn 17; Gerold/Schmidt/Madert/Müller-Rabe a.a.O. VV 3100 Rn 43).
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat nicht nur in dem ursprünglichen Verfahren 7 O 42/08 LG Wuppertal, sondern auch nach der Prozesstrennung in dem abgetrennten Verfahren das Geschäft betrieben. Denn er hat den Trennungsbeschluss vom 15.10.2008 empfangen und die Rechtsverteidigung des Beklagten darauf eingestellt. Dass der Feststellungsantrag der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht einmal zugestellt worden war, ist dabei ohne Bedeutung. Denn die Kläger hatten dem Beklagten vor der Prozesstrennung selbst die Klageerweiterung durch Telefax von Anwalt zu Anwalt unmittelbar zur Kenntnis gebracht. Damit war dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten bekannt und bewusst, dass das Verfahren den Feststellungsantrag zum Gegenstand hatte. Ob das LG die Prozesstrennung vornehmen durfte, ehe die Klageerweiterung überhaupt zugestellt war, ist ebenso wenig von Belang wie der Umstand, dass die Kläger die Klageerweiterung vor deren förmlicher Zustellung zurückgenommen haben. Denn der Prozessbevollmächtigte konnte dem Beklagten nunmehr empfehlen, zunächst die förmliche Zustellung abzuwarten, und danach über das weitere Vorgehen befinden. Eines schriftsätzlichen Vorbringens bedurfte es für die Entstehung der Verfahrensgebühr nicht (Gerold/Schmidt/Madert/Müller-Rabe a.a.O. VV 3100 Rn 44; AnwK-RVG/Onderka VV Vorbem. 3 Rn 28).
Der Beklagte hat auch die Gebühren für den Feststellungsantrag nicht doppelt zur Kostenfestsetzung angemeldet. Denn im Ausgangsverfahren sind alle Gebühren ohne Rücksicht auf den Feststellungsantrag angemeldet und festgesetzt worden.
Im Hinblick darauf, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nach der Verfahrenstrennung in dem abgetrennten Verfahren nicht mehr nach außen tätig geworden ist, ermäßigt sich die Gebühr nach Nr. 3100 Anlage zu VV gem. Nr. 3101 der Anlage von 1,3 auf 0,8 der vollen Gebühr...