BGB §§ 2219 Abs. 1, 2215
Leitsatz
Der Erbe kann, um Schadensersatzansprüche gegen den Testamentsvollstrecker zu verfolgen, jedenfalls dann einen Rechtsanwalt beauftragen, wenn die Gefahr besteht, dass er wegen Untätigkeit des Testamentsvollstreckers als Steuerschuldner in Haftung genommen wird. Bei einem schwierigen und komplexen Fall kann anstelle der gesetzlichen Vergütungsregeln (hier: der BRAGO) auch die Vereinbarung eines Zeithonorars angemessen sein.
OLG Koblenz, Urt. v. 29.5.2008–2 U 1620/06
1 Sachverhalt
Der Kläger, der Alleinerbe ist, nimmt den Beklagten, der als Testamentsvollstrecker tätig geworden ist, persönlich wegen grober Pflichtverletzung seiner Testamentsvollstreckerstellung in Anspruch. Bei der Forderung des Klägers handelt es sich um Rechtsanwaltskosten i.H.v. zuletzt 13.354,23 EUR. Das LG hat der Klage nur zu einem geringen Teil entsprochen und den Beklagten zur Zahlung von 1.342,12 EUR verurteilt. Der Kläger erstrebt unter Abänderung des Urteils die Verurteilung des Beklagten auf Zahlung von weiteren 12.212,11 EUR.
Die Berufung hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Anspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB zu. Nach dieser Vorschrift hat der Testamentsvollstrecker, der seine Pflichten verletzt, dem Erben den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach § 2215 BGB hat der Testamentsvollstrecker unmittelbar nach Annahme des Amts unverzüglich ein Verzeichnis der in seiner Verwaltung stehenden Nachlassgegenstände zu erstellen und bekannte Nachlassverbindlichkeiten mitzuteilen. Dieser ihm obliegenden Pflicht ist der Testamentsvollstrecker nicht unverzüglich nachgekommen. Die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erfolgte im November 2002, erst nach Aufforderung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ist das Verzeichnis erstellt worden. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob ein Erbschein erteilt ist.
Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden in Form von Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Das LG hat dem Kläger nur die Erstattung von Rechtsanwaltskosten zugebilligt, die nach der BRAGO entstanden wären.
Die Vereinbarung eines höheren als des sich aus der BRAGO ergebenden Honorars verstoße i.d.R. gegen die in § 254 Abs. 2 BGB dem Geschädigten obliegende Pflicht, den Schaden zu mindern. Dabei hat es einen Gesamtstreitwert von 30.000,00 EUR für insgesamt drei Ansprüche (Ansprüche aus §§ 2215 Abs. 1 und 2218, 666 BGB auf Auskunft und Rechnungslegung) mit einem jeweiligen Einzelstreitwert von 10.000,00 EUR bei Ansatz einer 7,5/10-Gebühr zugrunde gelegt. Darüber hinaus hat das LG einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die im Rahmen von Vergleichsverhandlungen entstanden sind, abgelehnt, weil es nach der Beweisaufnahme nicht habe feststellen können, dass der Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, dass ein Vergleichsabschluss zustande kommen werde, und ohne triftigen Grund die Vergleichsverhandlungen abgebrochen habe.
Der Senat hält mit der Berufung des Klägers die Kürzungen des Schadensersatzbetrags auf der Grundlage einer Abrechnung nach BRAGO für nicht berechtigt. Es handelt sich vorliegend um einen sehr komplexen und schwierigen Fall. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts, der besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Erb- und Steuerrechts hat, war angesichts der beharrlichen Weigerung des Beklagten, ein Nachlassverzeichnis vorzulegen, erforderlich. Der Beklagte hat darüber hinaus den Kläger als Erben nicht über wesentliche Umstände des Nachlasses informiert, keine ordnungsgemäßen Rechnungen erteilt und über einen langen Zeitraum keinen Erbschaftsteuerbescheid oder eine Erbschaftsteuererklärung vorgelegt. Der Beklagte ist 2006 als Testamentsvollstrecker wegen schuldhafter Pflichtverletzungen aus wichtigem Grund nach § 2227 BGB entlassen worden. Der Beklagte ist nicht in ausreichendem Maße seiner Informations- und Benachrichtigungspflicht nachgekommen. Für den Kläger bestand als Erbe die Gefahr, einer einkommens- und umsatzsteuerrechtlichen, möglicherweise auch einer strafbewehrten Haftung ausgesetzt zu sein, da er gegenüber dem Finanzamt aufgrund der mangelnden Auskünfte des Beklagten keine Erklärungen abgeben konnte. Es bestand die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass er gegenüber dem Finanzamt als Steuerschuldner unmittelbar in die Haftung genommen würde. Mit dem Nachlass waren Einnahmen aus Mieterträgen und Kapitalvermögen verbunden. Es war mit erheblichen steuerpflichtigen Gewinnen zu rechnen. Angesichts des Gesamtumsatzes des Nachlasses vor Abzug von Vermächtnissen etc. stand ein Betrag von 885.540,28 EUR im Raum. Angesichts dieser Situation war die Vereinbarung eines Zeithonorars mit einem Stundenansatz von 250,00 EUR nach Auffassung des Senats angemessen und die vorgelegten Honorarrechnungen auch nicht überzogen.