In den vergangenen Jahren thematisiert die Justiz mehr und mehr ihre wachsende Arbeitsbelastung, auch im Bereich der Beratungshilfe – und auch für Rechtsanwälte sind Beratungshilfemandate in aller Regel mit mehr Kosten als Ertrag verbunden. Viele Kollegen, wenn sie solche Mandate überhaupt annehmen, verspüren daher keine übergroße Neigung, auch noch die Antragsformalitäten abzuwickeln, und senden die Beratungshilfesuchenden hierfür lieber zur Rechtsantragsstelle. Um Arbeitsbelastung für den Rechtsanwalt zu vermeiden, der vorliegend hiervon abgesehen hatte, hätte das AG freundlicherweise auch einen anderen Ansatz wählen können: Es war aufgrund eines Parallelverfahrens bekannt, dass die Antragstellerin im identischen Zeitraum bereits Beratungshilfe bewilligt bekommen hatte. Über ihre finanzielle Situation, die ihre Bedürftigkeit erkennen ließ, war das AG daher im Bilde.
Der Rechtspfleger und auch der Amtsrichter wollten beide gleichwohl nicht akzeptieren, dass der Fragebogen, der zur Erteilung von Auskünften über einzusetzendes Vermögen kurze Zeit zuvor von derselben Antragstellerin schon einmal eingereicht worden war, hätte beigezogen werden können. Mit etwas gutem Willen wäre hierzu auch eine andere Entscheidung denkbar gewesen, aber Formularformalitäten werden bei Gericht – unabhängig vom Streitwert und der Höhe anwaltlicher Vergütung – eben großgeschrieben. Einerseits überrascht es somit nicht, dass der Rechtspfleger erwartete, für jeden Beratungshilfeantrag ein eigener Auskunftsbogen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nebst jeweiligen Nachweisen vorgelegt zu bekommen. Andererseits fühlt man sich ein wenig an die Ballade von Reinhard Mey erinnert, wenn er überspanntes Verwaltungshandeln durch den Kakao zieht: "Einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars ...". Möglicherweise greift der Gesetzgeber diesen Punkt später einmal auf und bestimmt, dass bei Parallelfällen desselben Antragstellers ein einmal ausgefüllter und unterschriebener Auskunftsbogen über die Vermögenssituation ausreicht, was für alle Beteiligten einfacher wäre. Aber auch diese Erwartung dürfte wohl eher frustriert werden: Beratungshilfe einfach zu gestalten findet in Zeiten knapper Kassen bei der Legislative keine Fürsprecher. Der Trend geht eher in die entgegengesetzte Richtung, Arbeit weg von den Gerichten auf die Anwaltschaft zu verlagern, freilich ohne hierfür die Gebührensätze anzuheben, aus Sorge um die hochverschuldeten Länderhaushalte. Wenn sich gesetzlich Versicherte im Gesundheitssystem als "Patienten zweiter Klasse" erleben, so sind Beratungshilfemandanten bestenfalls drittklassig.
Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer, Brühl/Rheinland