RVG §§ 15, 44; BerHG §§ 2, 6
Leitsatz
- Die Beratung in Trennungs-, Scheidungs- und Folgesachen in einer familiären Auseinandersetzung ist nicht nur eine Angelegenheit i.S.d. §§ 2, 6 BerHG, 15 RVG, auch wenn nur ein Berechtigungsschein ausgestellt worden ist, sondern beinhaltet verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG.
- Beratung in Fragen des Ehegattenunterhalts, des Kindesunterhalts, des Umgangsrechts und des ehelichen Güterrechts einschließlich Hausrat und Vermögensauseinandersetzung ist eine Beratung in vier verschiedenen Angelegenheiten. Dem Rechtsanwalt stehen demzufolge jeweils gesonderte Gebühren für jede dieser Angelegenheiten nach § 44 RVG zu.
OLG Köln, Beschl. v. 9.2.2009–16 Wx 252/08
1 Sachverhalt
Die von der Antragstellerin vertretene Mandantin hatte einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe für die Angelegenheit "Getrenntleben, Ehescheidung, Folgesachen insbesondere Unterhaltsfragen, Vermögensauseinandersetzung und Sorgerechtsfragen/Umgang" erhalten. In der Folgezeit wurde die Mandantin von der Antragstellerin in der Zeit von April 2007 bis Januar 2008 anwaltlich beraten.
Im Januar 2008 hat die Antragstellerin die Festsetzung von Gebühren für Beratungshilfe für fünf Angelegenheiten in Höhe von insgesamt 1.279,25 EUR (5 x 255,85 EUR) beantragt. Durch Beschl. des AG ist die der Antragstellerin zustehende Vergütung auf 255,85 EUR festgesetzt worden. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin ausgeführt, es habe sich insgesamt nur um eine Angelegenheit gehandelt.
Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Antragstellerin ist durch Beschluss des AG zurückgewiesen worden, ebenso die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin durch den nunmehr angefochtenen Beschluss des LG, mit dem die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen worden ist. Das LG hat die Auffassung vertreten, dass die Antragstellerin schon deswegen nur eine Angelegenheit abrechnen könne, weil nur für eine Angelegenheit Beratungshilfe bewilligt worden sei.
Die Antragstellerin hat gegen die Beschwerdeentscheidung weitere Beschwerde eingelegt, zu der der Bezirksrevisor ablehnend Stellung genommen hat.
2 Aus den Gründen
Die weitere Beschwerde der Antragstellerin ist kraft Zulassung gem. der §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG statthaft und zulässig.
In der Sache ist das Rechtsmittel teilweise begründet. Der angefochtene Beschluss des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Antragstellerin steht für die Beratung in insgesamt vier Angelegenheiten eine Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nrn. 2503 und 2508 VV nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Höhe von jeweils 255,85 EUR, d.h. in Höhe von insgesamt 1.023,40 EUR zu.
Nach dem BerHG wird Beratungshilfe in "Angelegenheiten" gewährt (§§ 2 Abs. 2, 6 BerHG), so dass auch die Vergütung, die der Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG erhält (§ 44 RVG), auf die "Angelegenheit" auszurichten ist. Eine Definition des Begriffs Angelegenheit ergibt sich aus dem Gesetz nicht, so dass auf die Vorschriften des RVG (§§ 15 ff.) zurückzugreifen ist. Aus den §§ 15, 22 Abs. 1 RVG ergibt sich, dass die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal entstehen, in mehreren Angelegenheiten dagegen mehrfach. Da bei den Pauschgebühren der Beratungshilfe das Korrektiv des Gegenstandswertes fehlt, kommt der Abgrenzung, wann eine Angelegenheit vorliegt und wann mehrere Angelegenheiten anzunehmen sind, erhebliche praktische Bedeutung zu. So ist auch der Entscheidung des BVerfG vom 31.10.2001 (BVerfG AGS 2002, 273) zu entnehmen, dass der Begriff der Angelegenheit aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen der ohnehin zu niedrigen Gebühren des Rechtsanwaltes nicht zu weit gefasst werden darf. Dabei ist entgegen den Ausführungen des Beschwerdegerichts die Anzahl der Berechtigungsscheine für die Zahl der Angelegenheiten nicht maßgebend. Wie die im Berechtigungsschein "genau bezeichnete" Angelegenheit nachträglich im Einzelnen gebührenrechtlich zu bewerten ist, obliegt nicht dem Rechtspfleger im Bewilligungsverfahren, sondern ist allein der Beurteilung im anschließenden Vergütungsfestsetzungsverfahren vorbehalten. Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit ist allein, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben sind. Insgesamt muss ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung bestehen (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., § 15 Rn 7 ff.).
Dies ist im Hinblick auf die hier fraglichen außergerichtlichen Trennungs-, Scheidungs- und Folgesachen zu verneinen. Nach Auffassung des Senats genügt es weder bei Trennungs- noch bei Scheidungsfolgesachen, dass die verschiedenen Folgen ihren gemeinsamen Grund in der Trennung bzw. der Scheidung der Eheleute haben. Es kann nicht danach unterschieden werden, ob es sich um Sachen handelt, die im Ehescheidungsverbund geltend gemacht werden können. Vor Trennung, nach Trennung und für die Zeit nach der Scheidung kommt es allein darauf an, ob wegen eines einheitlichen Lebenssachverhalts um Beratung ersucht w...