RVG § 15a Abs. 2; RVG VV Nrn. 2300, 3100
Leitsatz
Eine als Nebenforderung mit der Hauptsacheklage geltend gemachte vorgerichtliche Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV wird durch einen Prozessvergleich mit Abgeltungsklausel nur dann i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG tituliert, wenn und soweit die Parteien einen bezifferten Einzelbetrag als auf die Geschäftsgebühr entfallend vereinbart haben; nicht ausreichend ist, wenn die Parteien zwar die Geschäftsgebühr während der Vergleichsgespräche angesprochen haben, ohne hierfür im Vergleich einen bezifferten Betrag anzusetzen.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.8.2010–4 W 468/10
Sachverhalt
Mit der Klage des vorliegenden Rechtsstreits machte die Klägerin gegen die Beklagten eine Hauptforderung in Höhe von 47.222,46 EUR zuzüglich Zinsen sowie vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.641,96 EUR geltend. In der mündlichen Verhandlung einigten sich die Parteien vergleichsweise dahin, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch an die Klägerin 38.000,00 EUR bei Abgeltung aller wechselseitigen streitgegenständlichen Forderungen zahlen; die Parteien einigten sich zudem auf eine Kostenquote von 80 % (Beklagte) zu 20 % (Klägerin).
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Kostenbeamte des LG die von der Beklagtenpartei als Gesamtschuldner an die Klagepartei nach dem Vergleich zu erstattenden Kosten festgesetzt, wobei er die Verfahrensgebühr in voller Höhe angesetzt hat. Hiergegen haben sich zunächst die Beklagten mit einer sofortigen Beschwerde gewandt, in der sie eingewandt haben, dass die Geschäftsgebühr gem. § 15a RVG anzurechnen sei, weil diese Gebühr in demselben Verfahren geltend gemacht wurde und auch in der Vergleichssumme mitenthalten sei. Nachdem die Klägerin zunächst der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht entgegengetreten ist, hat das LG die Festsetzung abgeändert und die Anrechnung der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr vorgenommen. Auf die daraufhin von der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG mit Abhilfebeschluss den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss wieder hergestellt und ihn aufgrund der Beschwerde der Beklagtenseite dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Zu Recht hat der Rechtspfleger von einer Anrechnung der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr abgesehen, weil die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG nicht vorliegen.
§ 15a RVG stellt lediglich die bereits unter § 118 Abs. 2 BRAGO geltende und mit Einführung des RVG nicht geänderte Rechtslage klar, wonach sich die Gebührenanrechnung im Verhältnis zu Dritten und damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht auswirkt. Da § 15a RVG somit keine Gesetzesänderung, sondern nur eine vom Gesetzgeber gewollte Klarstellung der geltenden Rechtslage darstellt, gilt diese Vorschrift auch für sog. "Altfälle" (BGH, Beschl. v. 9.12.2009 – XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 ff. = MDR 2010, 471 f. [= AGS 2010, 54]).
Eine Anrechnung der in Nr. 2300 VV geregelten Geschäftsgebühr findet somit im Kostenfestsetzungsverfahren zugunsten des "dritten" Kostenschuldners nur statt, soweit dieser den Anspruch erfüllt hat, wegen des Anspruch ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden (§ 15a Abs. 2 RVG).
Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass keine dieser Alternativen vorliegend erfüllt ist. Auch der Senat schließt sich der ganz h.M. an, wonach eine als Nebenforderung mit der Hauptsacheklage geltend gemachte vorgerichtliche Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV durch einen Prozessvergleich über die streitgegenständlichen Forderungen mit Abgeltungsklausel nur dann i.S.d. § 15a Abs. 2, 2. Var. RVG tituliert wird, wenn und soweit die Parteien einen bezifferten Einzelbetrag als auf die Geschäftsgebühr entfallend vereinbart haben; nicht ausreichend ist, wenn die Parteien zwar die Geschäftsgebühr während der Vergleichsgespräche angesprochen haben, ohne indes hierfür im Vergleich einen bezifferten Betrag anzusetzen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.4.2010–13 W 159/09; NJW-Spezial 2010, 379 f. [= AGS 2010, 209]; OLG Naumburg, Beschl. v. 18.2.2010–2 W 5/2010, JurBüro 2010, 299 f.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.12.2009–8 W 439/09; FamRZ 2010, 832 f. [= AGS 2010, 25]).
Da § 15a Abs. 2 RVG von dem Grundsatz ausgeht, dass sich Gebührenanrechnungen grundsätzlich nicht im Verhältnis zu Dritten auswirken, und demzufolge eng auszulegen ist, ist im Hauptsacheverfahren und im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren auch nicht "dasselbe Verfahren" i.S.d. Vorschrift zu sehen (wie hier OLG Stuttgart a.a.O.).
Angesichts der – soweit erkennbar – einheitlichen Rspr. der Oberlandesgerichte liegt kein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO vor.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Jan Hendrik Holtkamp, Mannheim