ZPO § 91
Leitsatz
Hat ein Vermieter seine Immobilienverwaltung ausgelagert und auf ein fremdes Unternehmen übertragen, so sind die Reisekosten eines am Sitz der Verwaltung beauftragten Anwalts zum Prozessgericht auch dann erstattungsfähig, wenn die Entfernung vom Ort der Verwaltung zum Gericht höher ist als die Entfernung vom Sitz des Vermieters oder dem vermieteten Objekt.
BGH, Beschl. v. 7.6.2011 – VIII ZB 102/08
1 Sachverhalt
Die Beklagte verfolgt den Zweck, das Sondereigentum ihrer Gesellschafter zu vermieten. Die gesamte Verwaltung und Abwicklung der Mietverhältnisse erfolgt über die von der Beklagten hierzu beauftragte M. GmbH, die ihren Sitz weder am Sitz der Beklagten noch am Sitz des Mietobjekts hat. Nach Beendigung eines Rechtsstreits, in dem die Beklagte überwiegend obsiegt hatte, meldete sie die ihr entstandenen Kosten zur Festsetzung an, darunter auch die Reisekosten eines am Sitz der Verwaltungs-GmbH niedergelassenen Anwalts.
Das AG hat dabei die von der Beklagten geltend gemachten Fahrt- und Abwesenheitskosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 521,91 EUR nicht für erstattungsfähig erachtet. Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG von der Beklagten erhobene sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin hat der BGH die Beschwerdeentscheidung des LG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen
II. 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Erstattung derjenigen Kosten, die durch die Tätigkeit ihres in L. ansässigen Rechtsanwalts entstanden seien. Nach § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO seien Reisekosten eines Anwalts, der – wie hier – nicht bei dem Prozessgericht zugelassen sei und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohne, (nur) insoweit zu erstatten, als diese Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig seien. Die Frage der Notwendigkeit entscheide sich daran, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich habe ansehen dürfen. Dabei dürfe die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie treffe jedoch die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Danach sei die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen. Problematisch sei vorliegend, dass die Beklagte in F. ansässig sei, allerdings ihre komplette Immobilienverwaltung von der in L. ansässigen Firma ausführen lasse. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die Reisekosten des von dort beauftragten und zum Gerichtsort reisenden Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu erstatten seien. Von einer wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei müsse erwartet werden, dass sie sich von der von ihr beauftragten Verwaltungsgesellschaft alle notwendigen Informationen besorge, um die sie selbst betreffenden Mietprozesse führen zu können. Somit wäre es sachdienlich gewesen, einen am Geschäftssitz der Beklagten ansässigen Anwalt zu beauftragen. Im Zuge vorhandener moderner Kommunikationsmittel wäre die Informationsbeschaffung seitens der Beklagten auch zumutbar gewesen. Im Ergebnis dürfe es nicht zu Lasten des wirtschaftlich schwächeren Mieters gehen, wenn es der Vermieter für erforderlich halte, weitab von seinem Geschäftssitz und dem Mietobjekt Drittunternehmen mit Verwaltungsaufgaben zu betrauen.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO umfassen die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten auch die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts zugelassen ist und am Ort der Prozesspartei auch nicht wohnt, nur insoweit, als die Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Macht die obsiegende Partei Reisekosten eines Rechtsanwalts geltend, der – wie hier – eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird, und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind diese Kosten regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (std. Rspr.; z.B. BGH, Beschl. v. 23.1.2007 – I ZB 42/06, NJW-RR 2007, 1561 m.w.N.).
Eine von diesen wiedergegebenen Grundsätzen abweichende Beurteilung ist jedoch dann geboten, wenn es sich um eine Sache handelt, deren vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung an einem Ort erfolgt ist, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält. In einem solchen Fall sind die Reisekosten, die dem Unternehmen durch die Beauftragung eines am Bearbeitungsort ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, nach denselben Grundsätzen zu erstatten wie sonst im Fall der Beauftragung eines...