RVG §§ 3a ff., 10
Leitsatz
- Eine Aufrechnung setzt die Erteilung einer ordnungsgemäßen Kostenberechnung nach § 10 RVG voraus.
- Die Vorschrift des § 10 RVG findet auch auf die Abrechnung vereinbarter Vergütungen Anwendung.
- Soweit die Eigenart der vereinbarten Vergütung eine nähere Spezifizierung erfordert und zulässt, ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dem Mandanten die Berechnung transparent zu machen, auch § 10 Abs. 2 S. 1 RVG anzuwenden.
- Ein Anwalt ist verpflichtet, auf die Möglichkeit der Beratungshilfe hinzuweisen, wenn für ihn nach der Sachlage Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mandant zum Kreis der Berechtigten i.S.d. BerHG gehören könnte. Das setzt aber voraus, dass der Mandant ausdrücklich oder stillschweigend auf seine finanziellen Verhältnisse aufmerksam gemacht hat. Dass dem Auftraggeber später im gerichtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, ersetzt keinen Sachvortrag und belegt nicht die Bedürftigkeit zur Zeit des außergerichtlichen Auftrags.
LG Wuppertal, Urt. v. 7.3.2013 – 9 S 122/12
1 Sachverhalt
Der vom Kläger in verschiedenen Angelegenheiten mandatierte Beklagte erhielt in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt Zahlungen von dritter Seite, deren – restliche – Auskehr der Kläger verlangt, nachdem er im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft begehrt hatte. Der Beklagte hält dem Honoraransprüche entgegen.
Das AG hat die Klage in dem angefochtenen (der Sache nach: Schluss-)Urteil abgewiesen, nachdem es die Klage auf Auskunft- und Rechnungslegung durch Teilurteil wegen Erfüllung abgewiesen hatte. Dem Kläger habe dem Grunde nach ein Anspruch in Höhe von 5.069,18 EUR (insgesamt 4.659,31 EUR aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich und 409,87 EUR Kostenerstattung im Strafverfahren) zugestanden. Hiervon habe der Beklagte unstreitig 1.680,74 EUR gezahlt. Der verbleibende Betrag in Höhe von 3.388,44 EUR sei durch Verrechnung mit Gebührenforderungen des Beklagten erloschen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten in Höhe von 3.130,00 EUR nebst Zinsen und Kosten weiter.
Die Berufung hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Kläger kann von dem Beklagten grundsätzlich gem. §§ 667, 675, 611 BGB die Auszahlung der von dem Beklagten im Rahmen der Bearbeitung der Mandate eingenommenen Gelder verlangen. Dabei handelte es sich unstreitig ursprünglich um 5.069,18 EUR, wovon vorprozessual an den Kläger bereits 1.680,74 EUR ausgekehrt worden sind, sodass 3.388,44 EUR verblieben. Hiervon werden mit der Berufungsbegründung jedoch, ohne dass dies rechnerisch nachvollziehbar wäre, lediglich 3.130,00 EUR nebst Zinsen und Kosten geltend gemacht. Diese stehen dem Kläger im Ergebnis in Höhe von 1.622,94 EUR zu.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Vergütungsvereinbarung Ermittlungsverfahren (500,00 EUR)
Einer erfolgreichen Aufrechnung steht die Einrede der Verjährung gem. § 214 Abs. 1 BGB entgegen. Die Angelegenheit war im Mai 2007 beendet, sodass die Verjährung gem. §§ 195, 199 I BGB mit Ablauf des Jahres 2010 eintrat, wobei es gem. § 10 Abs. 1 S. 2 RVG unerheblich ist, ob der Beklagte eine den Anforderungen des RVG entsprechende Berechnung seines Honoraranspruchs dem Kläger mitgeteilt hatte. Der Beklagte kann sich nicht auf § 215 BGB berufen. Nach dieser Vorschrift schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Erstmals aufrechnen konnte der Beklagte nämlich frühestens, als er zur Vorbereitung des Verhandlungstermins in vorliegender Sache im Februar 2013 neue Rechnungen zur Akte gereicht hatte. Denn nach § 10 Abs. 1 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern, die § 10 RVG entspricht. Dabei ist Einfordern jedes Geltendmachen des Anspruchs, unter anderem also schon die Aufrechnung (OLG Koblenz – 5 U 101/10; Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 20.Aufl., § 10, Rn 4). Die unter dem 9.7.2007 erstellte Berechnung genügte den Anforderungen nicht. § 10 RVG findet nämlich auch auf Vergütungsvereinbarungen Anwendung. Soweit die Eigenart der vereinbarten Vergütung eine nähere Spezifizierung erfordert und zulässt, ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, dem Mandanten die Berechnung transparent zu machen, auch § 10 Abs. 2 S. 1 RVG anzuwenden (OLG Düsseldorf AnwBl 2011, 372, 373 und FamRZ 2010, 1184, 1186 [= AGS 2010, 109], jeweils m.w.N.). Wird eine Auslagenpauschale geltend gemacht und die Umsatzsteuer berechnet, sind die entsprechenden Bestimmungen des VV (z.B. 7002, 7008) anzugeben (Burhoff, a.a.O., Rn 12; OLG Düsseldorf a.a.O.). Dem entspricht die Berechnung vom 9.7.2007 jedoch nicht. Zwar hatten die Parteien nicht eine gesonderte Berechnung von Auslagen und Mehrwertsteuer, sondern pauschal 500,00 EUR vereinbart. Da der Beklagte jedoch diese Positionen dennoch gesondert ausgewiesen und damit geltend gemacht hat, hätte seine Abrechnung auch die damit verbundenen formellen Anforderungen erfüllen müssen.