RVG §§ 3, 14 RVG VV Nrn. 3103, 1008

Leitsatz

  1. Im Falle eines Beteiligtenwechsels durch Rechtsnachfolge erhält der Rechtsanwalt der wechselnden Beteiligten nur eine Verfahrensgebühr und nur eine Auslagenpauschale, jedoch infolge der Vertretung des neuen Beteiligten zusätzlich den Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 19.10.2006 – V ZB 91/06, NJW 2007, 769 ff. [= AGS 2006, 583]).
  2. Erlischt die grundsätzliche Bindung eines Rechtsanwalts an das zur Gebührenbestimmung ausgeübte Ermessen infolge eines Irrtums, gilt dies nur insoweit, als dieser Irrtum für die ursprüngliche Bestimmung der Gebühr kausal war (im Anschluss an Hessisches LSG, Beschl. v. 28.9.2011 – L 2 SF 185/10 E).

SG Fulda, Beschl. v. 8.7.2013 – S 4 SF 104/12 E

1 Sachverhalt

Der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin vertrat in dem vorbezeichneten Verfahren, in dem um Folgen einer anerkannten Berufskrankheit sowie um die Gewährung einer Verletztenrente gestritten wurde, den ursprünglichen Kläger, der im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens verstarb. Der Rechtsstreit wurde durch seine Rechtsnachfolgerin, die jetzige Erinnerungsführerin, fortgeführt bei fortdauernder Vertretung durch denselben Bevollmächtigten. Das Verfahren endete durch Berufungsurteil des LSG, mit dem die Berufung der Erinnerungsgegnerin gegen das erstinstanzliche Urteil des SG zurückgewiesen wurde; sie ist daher zur Anerkennung von Unfallfolgen und zur Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 50 % rechtskräftig verurteilt. Entsprechend den im Ausgangsverfahren ergangenen Urteilen ist die Beklagte verpflichtet, der Erinnerungsführerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im vorliegenden Verfahren allein umstritten ist die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des erstinstanzlichen Verfahrens.

Diesbezüglich hatte die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 29.1.2008 beantragt, die Kosten gegen die Erinnerungsgegnerin wie folgt verzinslich festzusetzen:

 
Praxis-Beispiel

I. Kosten des ehemaligen Klägers

Widerspruchsverfahren

 
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV 300,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV 20,00 EUR

Klageverfahren

 
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV 170,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV 81,25 EUR

II. Kosten der Klägerin

 
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV 170,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV 200,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV 20,00 EUR
Reisekosten, Nr. 7004 VV 62,40 EUR
Auslagen, Nr. 7006 VV 0,50 EUR
Zwischensumme 1.064,15 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 202,19 EUR
1.266,34 EUR

Diesen Festsetzungsantrag erweiterte die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 22.5.2012 um einen Hilfsantrag dergestalt, dass im Falle des Festhaltens an nur einer Verfahrensgebühr diese in Höhe des Höchstsatzes von 320,00 EUR geltend gemacht werde.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss die Vergütung im Wesentlichen antragsgemäß fest. Nicht gewährt wurde die zweite Verfahrensgebühr einschließlich der zweiten Pauschale gem. Nr. 7002 VV als "Kosten der Klägerin". Zur Begründung führte er aus, dass es sich trotz Rechtsnachfolge um dieselbe Angelegenheit handele, sodass die Verfahrensgebühr kein zweites Mal angefallen sei.

Der Hilfsantrag sei unzulässig, da ein Rechtsanwalt an sein einmal ausgeübtes Ermessen gebunden sei, das er bezüglich der Verfahrensgebühr in der Kostenrechnung vom 29.1.2008 der Höhe nach ausgeübt habe und daher nicht nachträglich geändert werden könne.

Den Verzinsungsanspruch tenorierte der Kostenbeamte nicht, sondern berücksichtigte ihn – in antragsgemäßer Höhe – lediglich in den Gründen des Beschlusses.

Am 25.5.2012 zahlte die Beklagte die festgesetzten Kosten an die Erinnerungsführerin und am 25.7.2012 einen Zinsbetrag in Höhe von 274,84 EUR.

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Erinnerungsführerin Erinnerung erhoben und verfolgt ihr Begehren auf Festsetzung einer zweiten Verfahrensgebühr einschließlich Pauschale sowie Tenorierung des Zinsanspruchs weiter. Auf gerichtlichen Hinweis, dass auf der Basis des in den Gründen überzeugenden Beschlusses des BGH NJW 2007, 769 ff., im Falle der Rechtsnachfolge keine zweite Verfahrensgebühr verdient werde, hielt die Erinnerungsführerin an der Festsetzung insoweit nicht mehr fest, beantragte jedoch die Festsetzung der Verfahrenshöchstgebühr einschließlich Pauschale gem. Nr. 7002 VV sowie des Mehrvertretungszuschlags gem. Nr. 1008 VV, wie dies in der zitierten Entscheidung des BGH als zutreffend anerkannt worden sei.

Dem stehe nicht die Bindungswirkung der ersten Kostenrechnung entgegen, da diese dann entfalle, wenn ein Rechtsanwalt einen Gebührentatbestand übersehen oder irrtümlich einen anderen als den tatsächlich einschlägigen zugrunde gelegt habe. Letztlich beantragt sie somit die Festsetzung weiterer Kosten wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr, Nr. 3103, 1008 VV 416,00 EUR
Pausc...

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