Das Vorhaben ist äußerst kritisch zu betrachten, insbesondere, da die gesamte Reform des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts nicht gerade als gelungener Paukenschlag klassifiziert werden darf. Neben der durchaus bedenklichen weiteren Beschränkung des Zugangs zum Recht, die mit einer engmaschigeren Prüfung der Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe einhergeht und damit eine weitere Belastung für bedürftige Bürger darstellt, ist auch die Übertragung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Nachteilen für den Bürger, aber auch für das Bild der Justiz verbunden. Auch für die übrigen Beteiligten – wie etwa die Anwaltschaft – wird das Vorhaben Nachteile mit sich bringen. Man denke alleine an den gestiegenen Verwaltungsaufwand, das Mehr an Schriftverkehr, an das sicherlich (wohl auch vom Gesetzgeber angedachte) höhere Auseinandersetzungspotential bei der Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, an eventuelle weitere, bislang nicht vorhandene Rechtsmittelwege bei der geplanten Zweiteilung sowie – natürlich – an ein hohes Maß an zeitlicher Verzögerung bei der Entscheidungsfindung. Die Kritik versteht sich dabei nicht als Schwarzmalerei, sondern denkt an reelle, potentiell auftretende Probleme. Insbesondere auch für die Anwaltschaft werden durch die geplante Verfahrenszweiteilung praktische Probleme auftreten. Angesichts des sicherlich anfallenden "Mehraufwandes", der durch die Zweiteilung erwartet werden darf, darf man sich durchaus (und hier natürlich auch mit Sicherheit etwas polemisch) die Frage stellen, ob nicht ein 3. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz notwendig wird, um den anfallenden Mehraufwand gebührenrechtlich zu kompensieren.
1. Zuständigkeitsdiaspora
Dadurch, dass die Regelung nun keine bundesweite Anwendung findet, sondern als Länderöffnungsklausel ausgestaltet ist, wird zweifelsohne ein allgemeines Durcheinander die Folge sein. Länder, die "es sich leisten" können, werden eine Umsetzung durchführen. Federführend hat das Land Baden-Württemberg zeitnah zur Verkündung des Gesetzes zur Reform der Prozesskostenhilfe und des Beratungshilferechts den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und anderer Gesetze an die Verbände vorgelegt und plant allem Anschein nach eine Umsetzung. Zielsetzung darin ist u.a., die mit dem Gesetzentwurf des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilferechts für alle Gerichtsbarkeiten vorgesehene Übertragungsmöglichkeit der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Ablehnung von Prozesskostenhilfeanträgen auf den Rechtspfleger bzw. den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle umzusetzen. Andere Länder – zumindest diejenigen, die einer bundesweiten Regelung Zurückhaltung entgegengebracht haben – werden das Vorhaben wohl nicht (zumindest nicht sofort) umsetzen. Dies wird zu einer bundesweiten Zuständigkeitsdiaspora führen, die – auch nach außen – nicht vermittelbar sein wird. Abgesehen davon wird die Qualität der Ausbildung leiden. Gegenwärtig findet diese für Rechtspfleger zentral für mehrere Bundesländer statt. Es wird die Frage sein, wie die Schwerpunkte hier zukünftig zu setzen sind, wenn Themen etwa in einem Bundesland unerlässlich sein werden, in anderen Ländern aber nicht derart forciert notwendig sein werden. Während solche unterschiedlichen Zuständigkeiten im Rahmen anderer Gesetze – z.B. der Reform des Verbraucherinsolvenzrechts – gerade nicht erwünscht waren und eine solche Zuständigkeitsdiaspora vermieden werden sollte und die Gesetze deshalb als bedenklich eingestuft und "im Interesse der Länder" abgelehnt wurden, werden an dieser Stelle vergleichbare Bedenken offensichtlich entweder nicht gesehen oder in Kauf genommen. Jedenfalls ist hier genau eine andere Ausrichtung im Vergleich zum sonstigen Verhalten zu erkennen. Auch innerhalb eines Bundeslandes kann eine solche Zuständigkeitsverwirrung eintreten. Da das Vorhaben auf die individuelle Entscheidung des Richters (also dezentral) abstellt, kann es bereits innerhalb eines Gerichtsbezirkes zu unterschiedlichen Zuständigkeiten kommen. Für Außenstehende – insbesondere auch für die Anwaltschaft – wird nicht einmal klar sein, wer tatsächlicher Ansprechpartner und Adressat für die PKH ist. Unverständlich und nach außen wenig plausibel wird es auch sein, weshalb bei einem Referat gegebenenfalls der Rechtspfleger mit der Aufgabe betraut wird, während bei einem anderen Referat (gegebenenfalls sogar im identischen Rechtsgebiet), womöglich sogar im selben Haus, der Richter weiterhin tätig bleibt. Dies wird auch zu statistischen Problemen führen (s.u. IV.7.).